Wissen Sie, was Ihre Kollegen am Ende des Monats auf ihre Konten überwiesen bekommen? Sollte das nicht der Fall sein, bleibt Ihnen wahrscheinlich Ärger erspart. Denn es ist durchaus frustrierend, zu erfahren, dass das eigene Gehalt oft grundlos hinter dem der Männer zurückbleibt.Frauen verdienten laut Statistischem Bundesamt (Destatis) – ebenso wie im Jahr zuvor – im Jahr 2022 über alle Branchen hinweg 18 Prozent weniger je Stunde als Männer. In Westdeutschland und Berlin fallen die Unterschiede mit 19 Prozent deutlich höher aus als im Osten mit 7 Prozent. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, diese Differenz bis 2030 bundesweit betrachtet auf 10 Prozent zu reduzieren.
Betrachten wir die Gehälter von Frau und Mann mit gleicher Erfahrung, gleicher Tätigkeit und gleicher Karrierestufe, ergibt sich ein Lohnunterschied von durchschnittlich 7 Prozent zugunsten des Mannes – der bereinigte Gender Pay Gap.
Auf den ersten Blick klingt das nicht allzu viel. Auf ein ganzes Berufsleben betrachtet entgeht betroffenen Frauen jedoch eine Menge Geld – fürs Hier und Jetzt und für die Zukunft.
Ein Beispiel: Ein Mann verdient über 35 Jahre hinweg im Schnitt 3.500 Euro brutto im Monat, also 42.000 Euro im Jahr. Eine gleich qualifizierte Frau erhält für dieselbe Arbeit 7 Prozent weniger. Monatlich bekommt sie damit 245 Euro und jährlich 2.940 Euro weniger als ihr Kollege. Über 35 Jahre hinweg sind das 102.900 Euro. Und die fehlen sowohl akut als auch in der Rente. Denn wer weniger Geld verdient, zahlt auch weniger Geld in die Rentenkasse ein und hat weniger zur Verfügung, um privat für das Alter vorzusorgen.
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Die 7 Prozent des bereinigten Gender Pay Gaps zeigen jedoch lediglich den Unterschied zwischen Frauen und Männern, die in ähnlichen Positionen arbeiten. Viele Erwerbsbiografien von Frauen sind nicht mit denen von Männern vergleichbar.
Das hat verschiedene Gründe: Frauen sind in der Regel eher diejenigen, die wegen der Kinder und auf Kosten der Karriere zu Hause bleiben und sich um den Haushalt kümmern. Nicht wenige kehren häufig nur noch in Teilzeit ins Berufsleben zurück. Während der Coronakrise hat sich diese Problematik nur noch mehr verstärkt.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2021 belegt, dass sich die Anzahl der Frauen, die die Kinderbetreuung überwiegend allein stemmt, in der Pandemie verdoppelt hat – 24 Prozent der befragten Mütter und nur 5 Prozent der befragten Väter kümmerten sich ohne Hilfe der Partnerin oder des Partners um die Kinder. Dieser Umstand ist Resultat des Gender Pay Gaps. Da Frau weniger verdient als Mann, kann auf ihr Einkommen eher verzichtet werden.
Außerdem sind Frauen häufiger in Minijobs tätig als Männer. Laut der Statistikplattform Statista waren 2021 rund 3,13 Millionen Männer, jedoch 4,24 Millionen Frauen geringfügig beschäftigt.
Letztlich wählen Frauen häufig Berufe, die vergleichsweise schlechter bezahlt werden. Dazu gehören beispielsweise die Kranken- und Altenpflege sowie der soziale Bereich. Dort verdienen allerdings Frauen und Männer gleichermaßen wenig.
Einen anderen Job suchen, nach der Geburt des Kindes so schnell wie möglich wieder in Vollzeit arbeiten oder am besten im Lotto gewinnen. Wenn es so einfach wäre. Die Sozialwissenschaftlerin Emily Murphy und der Sozialwissenschaftler Daniel Oesch stellten in ihrer Panelanalyse „Feminization of Occupations and Wages“ fest, dass sich das Lohnniveau eines Berufes ändert, sobald dort vermehrt Frauen einsteigen.
Wird beispielsweise eine Männerdomäne immer weiblicher, sinkt dort das Gehaltsniveau. Und zwar nicht, weil die Männer weniger verdienen, sondern weil Frauen niedrigere Gehälter beziehen und sich das auf den Durchschnitt auswirkt. Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Das erkennt auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sowie der Ausbau von Kinderbetreuung und die finanzielle Förderung von Eltern sollen unter anderem Frauen den Weg in eine fairere Arbeitswelt ebnen.
Zusätzlich setzen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Aktionstagen wie dem Weltfrauentag oder dem Equal Pay Day dafür ein, Geschlechterklischees und Diskriminierung zu bekämpfen. Doch auch Sie selbst können etwas bewegen. Schließlich geht es nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um Ihre Altersvorsorge und die Höhe Ihrer zukünftigen Rente.
Wer weniger verdient, zahlt weniger in die gesetzliche Rentenkasse ein und hat folglich weniger Geld im Alter. Besonders Frauen sind von Altersarmut bedroht.
Laut Destatis ist jede sechste Frau über 65 Jahren an der Grenze zur Altersarmut – bei Männern ist es jeder Achte. Dafür gibt es seit einigen Jahren sogar einen neuen Begriff: Den Gender Pension Gap – die Geschlechter-Rentenlücke. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) und Entwicklung stellte im Jahr 2021 fest, dass sie in Deutschland 46 Prozent betrug. Frauen in Deutschland bekamen im Schnitt rund die Hälfte weniger Rente als Männer.
Zur Einordnung: Wer 60 Prozent oder weniger des mittleren Nettohaushaltseinkommens verdient, gilt als arm. Bei einem Einpersonenhaushalt sind das laut Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichem Institut (WSI) derzeit 1.148 Euro (Stand 2021).
Das mittlere Nettohaushaltseinkommen, auch Medianeinkommen genannt, kennzeichnet die Einkommenshöhe, von der aus die Anzahl der Haushalte mit niedrigeren Einkommen gleich groß ist wie die der Haushalte mit höheren Einkommen. Das heißt, das Medianeinkommen teilt die Einkommensbezieherinnen und -bezieher in zwei genau gleich große Hälften – die untere Hälfte hat höchstens, die obere mindestens das Medianeinkommen.
Die Deutsche Rentenversicherung gibt regelmäßig die Höhe der Durchschnittsrente bekannt. Im Jahr 2021 bekam der Durchschnittsrentner 1.210 Euro brutto in den alten Bundesländern und 1.300 Euro brutto in den neuen Bundesländern. Bei Frauen sah es deutlich schlechter aus – besonders in den alten Bundesländern. Dort erhält die Durchschnittsrentnerin 730 Euro brutto. In den neuen Bundesländern kommt sie auf 1.075 Euro brutto. Das lässt sich historisch begründen: Während früher im Osten die Berufstätigkeit von Frauen gewollt war, wurde im Westen eher das Modell der Hausfrauenehe gelebt.
Im Sommer 2022 hob die Bundesregierung die Rente an: Seit dem 1. Juli vergangenen Jahres gibt es in den neuen Bundesländern 6,12 Prozent mehr und in den alten Bundesländern 5,35 Prozent.
Um Rentenfalle und Altersarmut zu umgehen, sollten Sie schon bei Ihrem ersten Job auf ein faires Einstiegsgehalt achten. Informieren Sie sich über Gehälter in Ihrer Branche, fragen Sie Freunde und Bekannte und bewerten Sie realistisch Ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten.
Viele Frauen verkaufen sich unter Wert und geben sich mit niedrigeren Gehältern zufrieden. Das ist ein gesellschaftliches und strukturelles Problem. Nur wenn Sie Ihre eigenen Fähigkeiten kennen und auf deren Wert pochen, legen Sie einen soliden Grundstein für Ihr weiteres Gehaltswachstum.
Nachdem der erste Schritt geschafft ist, heißt es am Ball bleiben: Verhandeln Sie regelmäßig neu – am besten einmal im Jahr. Das klingt viel, ist es aber eigentlich nicht. Denn mit jedem Jahr Berufserfahrung steigt Ihr Wert für das Unternehmen – und das sollte sich auch auf Ihrem Konto widerspiegeln.