
Eine Vor- und Nacherbschaft kann Streit vermeiden, wenn Sie mehrere Generationen absichern oder bestimmte Wünsche für die Erbfolge umsetzen wollen.
Vorerbschaft und Nacherbschaft folgen aufeinander. Sie setzen in Ihrem Testament fest, wer das Erbe zuerst verwaltet und wer es später bekommt.
Die Vorerbschaft unterliegt dabei meist bestimmten Beschränkungen. Nur ein sogenannter befreiter Vorerbe oder eine befreite Vorerbin hat mehr Entscheidungsfreiheit.
Erbrecht: Bedeutung und gesetzliche Grundlage der Vor- und Nacherbschaft
Mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft regeln Sie Ihre Erbfolge in zwei Stufen. Diese Konstruktion hat einen wichtigen Zweck: Sie wollen Ihr Vermögen im Erbfall über einen längeren Zeitraum gezielt weitergeben, ohne es gleich vollständig aus der Hand zu geben.
Sie bestimmen folglich, wer Ihr Vermögen zuerst erhält. Das ist der oder die Vorerbende. Gleichzeitig legen Sie fest, wer später Nacherbin oder Nacherbe wird. Die Vorerbschaft endet, sobald ein vorher festgelegter Zeitpunkt eintritt. Dann geht das Erbe automatisch an die Nacherbenden über.
Diese Regelungen sind kein Sonderfall, sondern fester Bestandteil des Erbrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), geregelt in den Paragrafen 2100 bis 2146.
- Paragraf 2100 BGB: Dieser definiert die Nacherbschaft.
- Paragrafen 2101 bis 2109 BGB: Sie regeln unter anderem die Einsetzung der Nacherbenden, deren Rechte und Pflichten und den Eintritt der Nacherbschaft.
- Paragraf 2113 BGB: Er beschränkt die Verfügungsbefugnis der vorerbenden Person über Nachlassgegenstände.
- Paragraf 2136 BGB: Erlaubt es dem Erblasser, Vorerbende „von den Beschränkungen des Paragraf 2113 BGB zu befreien“.
Damit bei Ihrer Erbschaft keine Missverständnisse entstehen, sollten Sie per Testament genau festlegen, wer Vorerbe oder Vorerbin wird und wer das Vermögen am Ende erhalten soll.
Tipp: Wie Sie ein Testament richtig aufsetzen, erfahren Sie im Ratgeber Testament schreiben. Gibt es kein Testament, greift die gesetzliche Erbfolge. Informieren Sie sich auch rund um Erbvertrag, Stiftung und alle weiteren Möglichkeiten, Ihren Nachlass zu regeln.
Wann eine Vorerbschaftsregelung sinnvoll sein kann
Die Vor- und Nacherbschaft ist nicht einfach nur ein juristischer Umweg in der Erbfolge, sondern ein wirksames Mittel, um bestimmte Lebenssituationen zu berücksichtigen. Sie behalten so die Kontrolle darüber, wer wann was bekommt, über Ihren Tod hinaus.
Vorerbe und Erbschaftsteuer: Das Vermögen kann doppelt besteuert werden
Rechtlich betrachtet wird eine vorerbende Person als Erbe oder Erbin angesehen, mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen. Später, wenn die Nacherbschaft beginnt, gelten auch Nacherbende steuerlich als Erbe des Vorerben oder der Vorerbin. Dadurch kann das Finanzamt zweimal zuschlagen.
Das Erbschaftsteuerrecht (Paragraf 6 ErbStG) erlaubt allerdings eine Ausnahme: Auf Antrag kann das Finanzamt das Verhältnis des Nacherbenden zum ursprünglichen Erblasser als Grundlage nehmen. Das kann die Steuerlast senken. Lassen Sie sich vor einer Entscheidung daher unbedingt steuerrechtlich beraten!
Was Vorerbende laut Erbrecht dürfen und was nicht
Als Vorerbe oder Vorerbin erhalten Sie zwar die Erbschaft, dürfen aber in der Regel nicht völlig frei darüber verfügen. Denn Sie verwalten es nur auf Zeit, im Sinne der verstorbenen Person. Irgendwann soll das Vermögen an den Nacherben oder die Nacherbin übergehen.
Rechte und Pflichten eines Vorerben oder einer Vorerbin
In der Rolle als Vorerbender übernehmen Sie eine Art Zwischenstation. Sie erhalten Eigentum, müssen es aber für die nachfolgende Erbperson treuhänderisch bewahren. Deshalb gelten gesetzlich bestimmte Einschränkungen:
Was Vorerbende dürfen
Erträge aus dem Erbe nutzen (zum Beispiel Mieteinnahmen oder Zinsen)
Schulden des Erblassers begleichen
Nachlass im Sinne des Erblassers verwalten
Was Vorerbende nicht dürfen (außer mit Befreiung)
Immobilien oder andere Vermögenswerte verkaufen
Schenkungen machen oder größere Investitionen tätigen
Erbteile durch riskante Geschäfte gefährden
All diese Regeln greifen nur, wenn es sich um eine nicht befreite Vorerbschaft handelt: Das ist der Regelfall, wenn im Testament nichts anderes steht.
Was ist ein befreiter Vorerbe beziehungsweise eine befreite Vorerbin?
Im Testament kann festgelegt werden, dass ein Vorerbe oder eine Vorerbin „von den Beschränkungen des Paragraf 2113 BGB befreit“ ist. Auf diese Art befreite Vorerbende dürfen deutlich mehr. Mit einer Befreiung erlauben Sie ihnen als Erblasser zum Beispiel, Immobilien zu verkaufen, zu vermieten oder umzuschichten. Diese Entscheidung sollten Sie gut überlegen, denn befreite Vorerbende können damit über wesentliche Teile des Erbes verfügen, auch wenn später eine andere Person alles erben soll.
Trotz Befreiung bleibt aber ein Punkt immer bestehen: Der befreite Vorerbe oder die befreite Vorerbin darf das Erbe nicht verschenken, in vollem Umfang weitervererben oder mutwillig verringern. Das Gesetz schützt die Nacherbenden vor willkürlichem Vermögensverlust.
Wann ist eine Befreiung sinnvoll?
Die Befreiung lohnt sich, wenn die vorerbende Person viele Entscheidungen treffen muss, zum Beispiel bei einem Unternehmen, einer vermieteten Immobilie oder einem größeren Vermögen, das flexibel verwaltet werden soll. In solchen Fällen kann es helfen, starre Vorgaben zu lockern.
Tipp: Was Sie alles in die Wege leiten können, damit Ihr Erbe auch tatsächlich bei denjenigen ankommt, für die es bestimmt ist, lesen Sie im Ratgeber Erbe planen.
Mit der Vor- und Nacherbschaft gehen Einschränkungen einher. Der Vorerbe darf das Vermögen nicht frei nutzen oder weitergeben. Das kann unattraktiv sein – vor allem, wenn schnell Liquidität gebraucht wird.
Was im Nacherbfall passiert
Die Nacherbschaft beginnt, wenn die Vorerbin oder der Vorerbe, wie im Testament vorgesehen, wegfällt. Das kann eintreten:
- durch den Tod der Vorerbin oder des Vorerben,
- zu einem bestimmten Stichtag (etwa bei Eintritt der Volljährigkeit der Nacherbenden),
- zu einem konkreten Ereignis (zum Beispiel Heirat, Scheidung oder Firmenverkauf).
Als Nacherbe oder Nacherbin übernehmen Sie dann alles, was ursprünglich schon zum Nachlass gehörte. Sie folgen damit automatisch auf die vorerbende Person, ohne erneute Testamentseröffnung oder zusätzliche Zustimmung. Wichtig: Sie erben dabei nicht von der Vorerbin oder vom Vorerben, sondern direkt vom ursprünglichen Erblasser.
Rechte bei der Nacherbfolge
Als Nacherbin oder Nacherbe haben Sie, wie bereits erwähnt, Anspruch auf das, was der ursprüngliche Erblasser hinterlassen hat – oder was davon noch übrig ist. Vorerbende Personen müssen daher auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis anfertigen. Sie als nacherbende Person haben ein Recht auf Auskunft und können Maßnahmen ergreifen, wenn Sie den Erhalt des Nachlasses gefährdet sehen.
Manche Erblasser fügen auch eine sogenannte Nacherbenvollmacht bei. Damit kann der Nacherbe oder die Nacherbin bestimmte Handlungen der Vorerbenden prüfen oder begleiten. Sie dürfen dann beispielsweise jederzeit kontrollieren, wie die vorerbende Person mit dem Erbe umgeht.
Letztlich übernehmen Sie mit der Nacherbschaft:
- das gesamte Vermögen aus der ursprünglichen Erbschaft,
- eventuelle Zuwächse (durch Zinsen oder Gewinne),
- Wertersatz, wenn Vorerbende ohne Erlaubnis etwas verkauft haben.
Hinweis: Manche Testamente legen auch fest, dass die Nacherbschaft nur für bestimmte Teile des Vermögens gilt, zum Beispiel für ein Haus, nicht aber für das Geld auf dem Konto.
Pflichtteilsrecht: Erbschaft taktisch ausschlagen oder annehmen?
Mit einer Vor- und Nacherbschaft gehen, wie bereits angesprochen, Einschränkungen einher: Vorerbende dürfen das Vermögen nicht frei nutzen oder weitergeben. Das kann unattraktiv sein, vor allem, wenn schnell Liquidität gebraucht wird.
- Wer als Vorerbe oder Vorerbin pflichtteilsberechtigt ist, zum Beispiel als Kind oder Ehepartner, kann die Erbschaft daher auch ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen.
- Nacherben und Nacherbinnen mit Pflichtteilsanspruch können diesen ebenfalls geltend machen, aber nur, wenn sie die Nacherbschaft nicht antreten. Sie müssen sich also zwischen langfristiger Beteiligung am Erbe oder kurzfristigem Anspruch auf Geld entscheiden.
Herr Müller ist verwitwet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine neue Lebensgefährtin hat ihn viele Jahre gepflegt. In seinem Testament setzt er sie als befreite Vorerbin ein: Sie darf die gemeinsame Wohnung weiter bewohnen und im Rahmen klarer Regeln auch über das Vermögen verfügen. Nach ihrem Tod geht das gesamte Erbe automatisch an seine Kinder als Nacherben. So sorgt er für beide Seiten vor, ohne Streit und ohne Ausschluss.
Diese Regelung wäre mit einer normalen Alleinerbschaft nicht möglich gewesen. Die Kinder hätten im Zweifel klagen oder auf ihren Pflichtteil pochen müssen. Mit der Vorerbschaft vermeidet Herr Müller genau das.
Vorerben und Nacherben bestimmen: Weitergeben mit Weitsicht
Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft bietet Ihnen die Chance, generationsübergreifend Verantwortung zu übernehmen, Streit im Erbfall zu vermeiden und der Zukunft Ihrer Familie nachhaltig Struktur zu geben. Wenn Sie eine Vor- und Nacherbschaft im Testament planen, sollten Sie allerdings nicht nur an die familiäre Absicherung denken. Auch steuerlich hat diese Konstruktion Folgen, vor allem bei größeren Vermögen. Lassen Sie sich am besten frühzeitig beraten.
Sie möchten Ihren Nachlass sinnvoll regeln?
Die wichtigsten Fragen zur Vorerbschaft und Nacherbschaft
Ein Nacherbe oder eine Nacherbin folgt auf die Vorerbenden und erhält das ursprüngliche Erbe zu einem späteren Zeitpunkt. Die Nacherbschaft beginnt in der Regel mit dem Tod des Vorerben oder der Vorerbin, kann aber auch an andere Bedingungen geknüpft sein, etwa eine Heirat oder ein bestimmtes Lebensalter.
Wenn jemand im Testament als Vorerbin oder Vorerbe genannt wird, bekommt diese Person das Erbe nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Die testamentarische Regelung legt dabei genau fest, wann und unter welchen Bedingungen das Erbe an die Nacherben übergehen soll. Die vorerbende Person darf das Vermögen also nicht wie ein Alleinerbe nutzen oder weitervererben.
Sogenannte befreite Vorerbende haben mehr Freiheiten als nicht befreite. Trotzdem dürfen sie das Erbe nicht verschenken, mutwillig vermindern oder so verplanen, dass für Nacherbende nichts mehr bleibt. Auch riskante Geschäfte, die den Wert des Nachlasses stark gefährden, sind nicht erlaubt.
Ja, grundsätzlich können sowohl Vorerbende als auch Nacherbende pflichtteilsberechtigt sein, allerdings nicht gleichzeitig. Wer als vorerbende Person eingesetzt ist, kann nicht zusätzlich den Pflichtteil verlangen. Wird jemand durch eine Nacherbschaft ausgeschlossen, aber gehört eigentlich zur pflichtteilsberechtigten Gruppe (zum Beispiel Kind oder Ehepartner), kann ein Pflichtteilsanspruch bestehen, abhängig vom Testament.
Ein nicht befreiter Vorerbe oder eine nicht befreite Vorerbin unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Diese Personen dürfen das geerbte Vermögen nicht ohne Zustimmung der Nacherbin oder des Nacherben verkaufen, verschenken oder erheblich verändern. Ziel ist, das Erbe in seinem Wert und Bestand weitgehend zu erhalten, bis es an die nächste Person übergeht.


