So ist die aktuelle Situation: Das Zusammenwirken von gestiegenen Zinsen und die Ungewissheit, welche Kosten bei einer energetischen Modernisierung entstehen, hat eine spürbare Kaufzurückhaltung ausgelöst. Zudem hält die Stornowelle im Wohnungsbau an, ist die Immobilienfinanzierung um 48 Prozent eingebrochen und die Zahl der Baugenehmigungen um mehr als 20 Prozent gesunken. Wie wird sich die Lage auf dem Immobilienmarkt weiterentwickeln? Und was macht jetzt Sinn?
Matthias zu Eicken ist Leiter Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik des Verbandes Haus & Grund Deutschland. Der Zentralverband hat etwa 900.000 Mitglieder und fördert gemeinschaftlich das private Haus-, Wohnungs- und Grundeigentum in Deutschland. Haus & Grund ist ein Immobilien-Verbund, der sich bundesweit in 867 Vereinen vor Ort dafür einsetzt, dass die Menschen in Deutschland in den eigenen vier Wänden gut leben können – im Eigentum.
Seit Mitte 2022 kam es zu einem deutlichen Einbruch der Immobilienpreise in Deutschland um bis zu 20 Prozent. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich fortsetzen: Weitere Preiseinbrüche um bis zu 20 Prozent sind erwartbar, wenn auch in einem langsameren Tempo. Auch die Zahl der potenziellen Immobilienkäufe ist seit 2022 deutlich zurückgegangen. Das liegt unter anderem am Anstieg der Zinsen bei zehnjähriger Zinsbindung auf 3,5 bis vier Prozent. Bei der Entwicklung der Lebenshaltungskosten ist langsam allerdings eine Entspannung absehbar. Dies wiederum wird zeitverzögert auch die Zinsen wieder sinken lassen, was zu einer Entspannung auf dem Immobilienmarkt führen kann.
Angesichts der geschilderten Entwicklungen scheint die Situation für den Verkauf von Eigentum derzeit nicht ideal zu sein. Einerseits spielt die individuelle Situation der Verkäufer, die regionale Beschaffenheit des Immobilienmarktes und der Zustand der Immobilie eine bedeutende Rolle. Zwar geht die Zahl von Käufern zurück – jedoch finden sich in boomenden Regionen auch im Jahr 2023 genügend Interessenten, die die nötigen Mittel für Immobilien aufbringen können. Andererseits dürfte es aufgrund der aktuellen politischen Situation zunehmend schwieriger werden, ältere Immobilien mit schlechter energetischer Beschaffenheit zu verkaufen, während gut sanierte oder neu gebaute Immobilien weiterhin nachgefragt werden.
Auf den Wohnungsmarkt lastet ein enormer Druck. Die Neubauziele werden wegen explodierender Baukosten und hoher Zinsen verfehlt. Und das noch bevor die Nachfrage nach Wohnungen ausreichend beantwortet ist. Private Bauherrinnen und Bauherren eines Mehrfamilienhauses müssen derzeit laut einer aktuellen Haus & Grund-Studie wegen der hohen Baukosten zwischen 14,25 Euro und 34,93 Euro pro Quadratmeter für eine auskömmliche Vermietung verlangen – je nach Baulandkosten, Baustandard und Bundesland.
Von überproportional steigenden Mieten kann bisher nicht die Rede sein. Schon vor der derzeitigen Inflationsphase entwickelten sich die allgemeinen Preise deutlich dynamischer als die Mieten. Auch im Vergleich zu den Löhnen entwickeln sich die Mieten derzeit noch moderat. 2015 bis 2021 sind die Löhne um 14,2 Prozent und die Bestandsmieten nur um 7,3 Prozent gestiegen. Die Bundesregierung plant jedoch auch bei den Bestandsmieten den Kostendruck zu erhöhen. Die Pflicht zum Heizungstausch und weitere Novellen des Gebäudeenergiegesetzes werden die Preise fürs Wohnen weiter in die Höhe treiben.
Beim Kauf einer Immobilie sollte derzeit auch die politische Situation berücksichtigt werden. Der Zustand der Immobilie aber auch der Standort spielen eine entscheidende Rolle: Beim Kauf von Bestandsimmobilien wird der energetische Zustand immer wichtiger mit Blick auf die Rentabilität werden. Und die Attraktivität von Immobilien in den Großstädten wird auch in Zukunft zunehmen. Wie sich die regionalen Wohnungsmärkte in den ländlichen Regionen entwickeln, hängt stark von den Begebenheiten vor Ort ab.
Auch hier dürften die individuelle Situation der Eigentümerinnen und Eigentümer,
aber auch die regionalen Merkmale des Wohnungsmarktes eine entscheidende Rolle
spielen. Vor allem bei der Anschlussfinanzierung werden in den kommenden Jahren
viele Menschen die Zinssteigerungen zu spüren bekommen. Gerade
Darlehensnehmer, deren monatlicher Liquiditätsüberschuss ohnehin gering war und
sich durch die Inflation noch weiter anspannt, könnten bei der
Anschlussfinanzierung in Schwierigkeiten geraten. Für die meisten Haushalte
dürfte es finanziell aber zu stemmen sein.
In Regionen mit einer schlechten Infrastruktur, hohen Leerstandsquoten und einem instabilen Arbeitsmarkt könnte es durchaus schwieriger werden, einen geeigneten Käufer zu finden, sodass überforderte Eigentümer ihre Immobile zwangsversteigern müssen. Eine bundesweite signifikante Zunahme von Zwangsversteigerungen wird es jedoch nicht geben.
Die Quadratmeterkaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser stiegen inflationsbereinigt in den letzten fünf Jahren um etwa 32 Prozent auf 3.633 Euro pro Quadratmeter. Bei Eigentumswohnungen stiegen die Kaufpreise im selben Zeitraum um etwa 28 Prozent auf 4.306 Euro pro Quadratmeter. Erst im Jahr 2023 kam es bundesweit zu einem deutlichen Preiseinbruch von durchschnittlich 19 Prozent bei Ein- und Zweifamilienhäusern und 15 Prozent bei Eigentumswohnungen.
Ja und nein – klimagerechte Immobilien in zentralen Lagen sind trotz höherem Leerstand und weniger Transaktionen bei Büroflächen immer noch gefragt. Ein Potenzial zur Umnutzung gibt es eher bei Büroflächen in weniger attraktiven Lagen und mit geringeren Ausstattungsstandards – solange diese im Einzugsbereich angespannter Wohnungsmärkte liegen. Die Hürden für eine Umnutzung sind aber hoch: Erstmal muss sich die Büroimmobilie dafür eigenen, also in puncto Beschaffenheit, Grundriss und Lage. Eine Umnutzung von Gewerbe- zu Wohnraum kommt nur in Mischgebieten infrage. Und dann muss ein Baugenehmigungsverfahren durchgestanden und viele Bauvorschriften erfüllt werden. Dazu gehören Anforderungen an den Brandschutz, Schallschutz, Dämmung und Lüftung, Rettungswege oder Stellplätze. Das kann im Bestand mitunter aufwendiger sein als im Neubau.
Die Preisentwicklung am Immobilienmarkt entspricht dem gegebenen Rahmen von steigenden Zinsen und Baukosten. Möglicherweise wäre der Preisverfall noch größer, wäre nicht immer noch eine große Nachfrage nach Wohnimmobilien vorhanden. Die Nachfrage wird Leerstand und sinkende Mieten verhindern – wenn also eine Blase tatsächlich vorhanden ist, wird sie so nicht platzen, sondern eher schrumpfen.
Stand: 22.06.2023