
Die Sicherheitsbehörden in Sachsen haben einen beachtlichen Coup gelandet.
Das BKA verfügt damit über eins der weltweit größten Krypto-Konten.
Beschlagnahmte Waren und Gelder kommen dem Staat zugute.
Was machen Sie mit einem unerwarteten Geldregen? Sich was gönnen? Schulden begleichen? Oder anlegen? Nun geht es hier um keinen kleinen Betrag. Es geht um 2.400.000.000 Euro. 2,4 Milliarden Euro. So viel sind die Bitcoin wert, die seit kurzem im Besitz deutscher Behörden sind.
Zu Recht werden offizielle Stellen nicht müde, vor den Gefahren dieser relativ risikoreichen Geldanlage zu warnen. Doch der Staat hat sich die Bitcoin nicht als waghalsiges Investment zugelegt. Viel mehr sind sie das Ergebnis harter Arbeit – und krimineller Energie.
Lukrative Raubkopien …
Beginnen wir am Anfang dieser Geschichte: Es ist Anfang der 2010er Jahre und die Zeiten des 56k-Modem sind endgültig vorbei, sogar in Deutschland. Stattdessen lassen sich Dank größerer Bandbreiten ganze Filme streamen. Findige Menschen wissen das für sich zu nutzen und betreiben Streaming-Plattformen. Dort laden Nutzer und Nutzerinnen Filme hoch, andere können sie sich anschauen. Das Problem: Das Ganze ist illegal. Die Filmbranche verdient daran keinen einzigen Euro oder Dollar. Es handelt sich um Raubkopien.

0Bitcoin
haben deutsche Behörden beschlagnahmt
Eine der wohl erfolgreichsten Plattformen saß ausgerechnet in Deutschland. Movie2k.to wurde von einem deutschen und einem polnischen Staatsbürger geführt. Auf dem Portal befanden sich mehr als 800.000 Raubkopien von Filmen und Serien.
… und ein äußerst glückliches Händchen
Zeitgleich entsteht das mathematisch-technische Wunderwerk Bitcoin. Obgleich als Währung in vielerlei Hinsicht unpraktisch, hat es durch seine scheinbare Anonymität einen entsprechenden Reiz für alle, die nicht so gern bei ihren Online-Bezahlungen Spuren hinterlassen wollen.
Das gilt natürlich auch für das illegale Film-Streaming. Es gilt aber genauso für Vermögen, dass aus zweifelhaften Quellen stammt. Die movie2k.to-Betreiber stecken Ihre Erträge zumindest teilweise in Bitcoin. Bis im Mai 2013 ihre Plattform stillgelegt wird. Doch aus dem illegalen, aber eben lukrativen Geschäft der Raubkopien wird ein sensationelles Investment. Mindestens 50.000 Bitcoin haben sich zumindest bei einem der Betreiber angehäuft.
Damals, im Mai 2013, war ein Bitcoin ungefähr 100 Euro wert. Nun, im Februar 2024, sind es gut 48.000 Euro pro Bitcoin. Aus den damals umgerechnet 5 Millionen Euro sind mittlerweile 2,4 Milliarden Euro geworden. Kurzum: Die Plattform-Betreiber häuften Bitcoin an, die auch noch ganz erheblich im Wert stiegen.
So hat sich der Bitcoin im Wert entwickelt
Kein perfektes Verbrechen
Doch glücklicherweise sind nur wenige Verbrechen perfekt. Die Konten, die im Krypto-Bereich Wallets genannt werden, tragen eine eindeutige Nummer (der sogenannte Public Key), nicht unähnlich einer IBAN. Ist einmal eine Wallet-Adresse einem Namen zugeordnet, kann – solange keine Verschleierungsmethoden genutzt werden – jede Transkation nachverfolgt werden, denn in der Blockchain ist fein-säuberlich und für alle sichtbar vermerkt, von welcher Wallet wie viel Bitcoin wohin geschickt wurden.
Als die Streaming-Betreiber enttarnt werden, ermitteln die Sicherheitsbehörden auch, welche Wallet-Adressen die Betreiber nutzen. Illegal angeeignete Waren und das damit verdiente Geld gehen grundsätzlich an den Staat über, sofern keine Eigentümer – etwa bei Diebstählen – etwas vermissen.
Denn im Strafgesetz gilt die Regel, dass sich Kriminalität nicht lohnen darf. Daher darf der Staat laut Strafgesetzbuch (StGB) § 73 etwas, dass ein Täter oder eine Täterin erlangt hat, einziehen. Das gilt genauso für „Nutzungen aus dem Erlangten“, also beispielsweise Mieten und Zinsen, die mit dem illegal beschafften Vermögen erzielt werden.
Wie die Behörden an die Bitcoin kommen
Der Public Key ist in der öffentlich einsehbaren Blockchain dokumentiert. Um aber Bitcoin von einem Wallet zum anderen transferieren zu können, braucht es den Private Key, der mit einem Passwort vergleichbar ist. Vergleichsweise leicht ist es für die Behörden, an die Bitcoin zu kommen, wenn Sie bei einer Kryptobörse liegen. In der Regel liegen die Private Keys dafür bei den Betreibern, sodass sich die Rechtsorgane an die Unternehmen wenden und die Konten im Prinzip pfänden.
Was aber, wenn die Bitcoin in einer Wallet liegen, deren Private Key nur dem Beschuldigten oder Verurteilten bekannt ist? Zwangshaft oder Zwangsgeld, um die Person zur Passwortherausgabe zu bewegen, hülfen nicht weiter, wie die Anwaltskanzlei CMS schreibt. Denn dann würde sich der Beschuldigte selbst belasten, was jedoch durch die sogenannte Selbstbelastungsfreiheit ausgeschlossen sei.
Interessant ist daher der Fall „Chemical love“ der Staatsanwaltschaft Koblenz. Die hatte 757 Bitcoin beschlagnahmt – allerdings ohne den Private Key zu kennen. So wurden die Bitcoin unter den Augen der Behörden von Dritten weitertransferiert.
Im Fall von movie2k.to überwies der Beschuldigte freiwillig die 50.000 Bitcoin auf eine Behörden-Wallet, wie die Polizei Sachsen mitteilte. Wie genau es dazu kam, ist allerdings nicht bekannt.
Wer die meisten Bitcoin hält
Mit den beschlagnahmten Bitcoin ist Deutschland zu einem Bitcoin-Wal geworden. So werden alle Personen und Institutionen genannt, die mehr als 1.000 Bitcoin der insgesamt möglichen 21 Millionen halten. Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland Bitcoin zufallen, aber die bisher mit Abstand größte Menge.
Auch andere Staaten halten Bitcoin. Ebenfalls über Beschlagnahme haben die USA laut dem Marktdienst Nasdaq 200.000 Bitcoin angesammelt. Das Vereinigte Königreich beschlagnahmte Ende Januar 2024 etwa 61.000 Bitcoin von einer Bürgerin, wie die Financial Times berichtete.
Im mittelamerikanischen Land El Salvador gilt Bitcoin als offizielle Währung. Das Land hielt laut der Wirtschaftszeitung Forbes Ende 2023 knapp 2.800 Bitcoin.
Auch Unternehmen halten Bitcoin. Dazu gehören insbesondere die Kryptobörsen wie Coinbase und Binance. Am meisten Coins hält jedoch der Financial Times zufolge MicroStrategy mit knapp 190.000 Bitcoin. Tesla kommt laut Branchenseiten auf 9.700 Bitcoin.
Die mit Abstand meisten Bitcoin soll der Erfinder des Bitcoin, Satoshi Nakamoto, besitzen: mehr als 1 Million. Das ist jedoch Spekulation, genauso wie unklar ist, wer oder wie viele Menschen hinter dem Namen stecken.
So könnte der Verkauf laufen
Für Privatpersonen gibt es verschiedene Wege, Geld in Kryptowährungen umzutauschen, neuerdings auch Bitcoin-ETFs. Etwas komplizierter ist das für den Staat. Eigentlich sollten alle Bundesländer Zentralstellen für den Verkauf einrichten. Noch gibt es sie aber nicht in allen. Wie die Süddeutsche Zeitung 2021 schrieb, verkauften die meisten Zentralstellen die Kryptowährungen über eine deutsche Handelsplattform, die auch Privatpersonen nutzen können.
Nordrhein-Westfalen unterhält ein eigenes Auktionsportal, auf dem versteigert wird, woran der Staat ein Pfandrecht erworben hat. Als die Behörden dort 2021 Bitcoin versteigerten, erzielten sie sogar einen Preis, der deutlich über dem Marktwert lag, wie aus einem Bericht des Spiegels hervorgeht.
Anders handhabt es Hessen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat mit einem privaten Bankhaus eine Rahmenvereinbarung geschlossen, um Bitcoin zu Euro zu machen.
Noch nicht in trockenen Tüchern
Auch bezüglich des Zeitpunkts unterscheidet sich das Vorgehen. Manche Bundesländer veräußern die Bitcoin so schnell wie möglich, so wie sie es etwa mit Aktien und verderblichen Waren machen, um einen Wertverlust zu vermeiden. Hessen hingegen wartet, bis die Beschuldigten rechtskräftig verurteilt sind.
Dabei wird auch deutlich, dass der Traum von den 50.000 Bitcoin noch einen Haken hat. Im Falle eines Freispruches könnte der Beschuldigte die Bitcoin zurückverlangen. Sogar eine Entschädigung wäre möglich, wenn er glaubhaft machen kann, dass ihm Gewinn entgangen sei. Noch läuft der Prozess gegen den Beschuldigten und bisherigen Bitcoin-Besitzer, Ausgang offen.
Dafür reicht das Geld
Nehmen wir aber an, die Bitcoin kommen dem Staat zu. Da stellt sich die Frage, wofür das Geld verwendet werden könnte. 2,4 Milliarden Euro reichen in etwa für:
- 20 bis 30 Schulneubauten (ohne das zu bezahlende Personal)
- 4.000 Elektrobusse
- 12.000 staatliche Wohnungen zu je 200.000 Euro
- 1 Million Euro Förderung für 2.400 Start-ups
- 28,37 Euro für jeden Bürger und jede Bürgerin
Der Staat könnte das Geld auch investieren und in ETF oder Fonds an der Börse anlegen, wie es Sparern und Sparerinnen geraten wäre. Durchschnittlich erzielen die bekannten Börsenindizes auf lange Sicht eine Rendite von etwa 8 Prozent pro Jahr. Bei einer Anlagesumme von 2,25 Milliarden Euro ergibt sich ein durchschnittlicher Gewinn von 192 Millionen Euro pro Jahr – ein schöner Zuschuss zum Bundes- bzw. Landeshaushalt.
Alternativ könnten die Gewinne auch investiert bleiben und etwaige Dividenden ebenfalls angelegt werden. Der Fachbegriff für diese Anlageform ist thesaurierend. Damit würden dann in 50 Jahren bei voraussichtlich 8 Prozent jährlicher Rendite aus 2,4 Milliarden Euro sensationelle 112,5 Milliarden Euro. Der Zinseszinseffekt lässt grüßen.
Sachsen als alleiniger Nutznießer?
Deutschland ist ein föderaler Staat und so fließen beschlagnahmte Vermögenswerte und deren Erlöse daraus der jeweiligen Landeskasse zu. Daher freute sich 2021 die damalige hessische Finanzministerin Eva Kühne-Hörmann über 100 Millionen Euro zusätzlich für den dortigen Landeshaushalt, als beschlagnahmte Kryptowährungen veräußert wurden. Anzunehmen ist also, dass von den 50.000 Bitcoin allein Sachsen profitieren wird. Die gesamten Haushaltsausgaben in Sachsen beliefen sich im Jahr 2023 auf 24 Milliarden Euro. Da wären 2,4 Milliarden Euro zusätzlich sicher willkommen.
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Stand: 20.02.2024
Bildnachweis: Das Titelbild des Artikels wurde mit Midjourney erstellt.
