Eine ältere Frau im Supermarkt, die Lebensmittel aus einem Kühlschrank herausholt.

Hohe Inflation: Haben wir das Schlimmste überstanden?

Fallende Energiepreise und steigende Zinsen
Die Inflationsrate ist im Dezember 2022 relativ stark zurückgegangen. Gas und Strom kosten an den Börsen teilweise weniger als vor einem Jahr. Ist die hohe Inflation damit Geschichte? Wir blicken auf die aktuelle Lage und mit der Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Dr. Gertrud Traud, voraus.

Das Wichtigste in Kürze

 Die hohe Inflation kam überraschend. Das haben die Verantwortlichen der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen Monaten mehrfach eingeräumt. Daher hätten sie auch so spät reagiert und auch deswegen sei die Inflationsrateso hoch gewesen wie noch nie in der Bundesrepublik. Die EZB ist aber gerade dafür mitverantwortlich, die Preissteigerungen auf ein erträgliches Maß von etwa 2 Prozent pro Jahr einzudämmen.  

10 Prozent weniger Kaufkraft

Für den Wohlstand der Menschen in Deutschland ist die Frage nun entscheidend, wie sich die Inflation weiterentwickelt. Denn schließlich bedeuten 10 Prozent Inflation, wie sie für November 2022 auf Jahressicht ermittelt wurden, dass Sie sich mit Ihrem Geld knapp 10 Prozent weniger kaufen können. Ihr Geld ist weniger wert. Das gilt dabei nicht nur heute, sondern auch für die Zukunft. In Ihrer Altersvorsorge fehlen nun ebenfalls 10 Prozent. Nun kaufen wir nicht alle das Gleiche, sodass die Inflation einige mehr und andere weniger trifft. Gerade aber Lebensmittel, die jeder Mensch in etwa gleicher Menge benötigt, wurden im vergangenen Jahr noch teurer. Das Statistische Bundesamt ermittelte einen Preisanstieg für Nahrungsmittel von 21 Prozent im November 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat.

2023 erneut 6 bis 7 Prozent Inflation erwartet

Wie aber entwickelt sich die Inflation im Jahr 2023? Dazu hilft ein Blick auf die Prognosen wichtiger Institutionen:

Institut
Inflationsprognose 2023
Veröffentlicht im
Bundesregierung
7,0 %
Oktober 2022
Bundesbank
7,2 %
Dezember 2022
Internationaler Währungsfonds
7,2 %
Oktober 2022
Ifo Institut für Wirtschaftsforschung
6,4 %
Dezember 2022
Helaba
6,0 %
November 2022

Quelle: BundesregierungBundesbankIWFifoHelaba

Das hieße, dass Ihr Vermögen erneut um 6 bis 7 Prozent entwertet würde.

Wo die Preise fallen

Allerdings gibt es auch positive Tendenzen und das bereits seit Herbst 2022. So sind die Energiepreise im Vergleich zu den Höchstständenstark zurückgegangen. Benzin, Gas und Strom kosten heute an den Märkten in etwa so viel wie vor einem Jahr, teilweise auch weniger. Der Preisunterschied im Vergleich zu 2022 dürfte dabei in den kommenden Monaten noch steigen, da sie ihren Höhenflug im vergangenen Frühjahr beschleunigten. Auch für andere Rohstoffe wie Holz und Getreideist das der Fall. Im Vergleich zum November 2022 fielen die Preiseinsgesamt im Dezember 2022 bereits um 0,8 Prozent. Die Produkte und Dienstleistungen wurden in Deutschland in Summe also günstiger. Gegenüber 2021 sind sie allerdings immer noch um 8,6 Prozent teurer. Und 2021 waren sie schon um 5,3 Prozent gestiegen gegenüber Dezember 2020. Das macht innerhalb von zwei Jahren eine Steigerung von 14,4 Prozent inklusive sogenanntem Zinseszinseffekt.

Staatliche Hilfen dämpfen Inflation nur vorübergehend

Wann ist mit einem Ende der hohen Inflationsraten zu rechnen? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Teuerung mit den gesunkenen Rohstoffpreisen auch insgesamt endet? Sind gar fallende Preise möglich, die Ihr Vermögen wieder aufwerten würden? Wir haben nachgefragt bei Dr. Gertrud Traud. Sie ist Chefvolkswirtin der Helaba.

Im Laufe des Jahres sollten die Preise immer langsamer steigen.
Dr. Gertrud Traud
Im Gespräch mit

Dr. Gertrud Traud

Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba)

Dr. Gertrud Traud ist promovierte Volkswirtin und hat über 25 Jahre Berufserfahrung als Kapitalmarktstrategin. Seit 17 Jahren ist sie Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba), die zur Sparkassen-Finanzgruppe gehört. Dort leitet sie die Research-Abteilung und bringt neben zahlreichen weiteren Publikationen alljährlich den Konjunktur- und Kapitalmarktausblick „Märkte und Trends“ heraus. Dr. Gertrud Traud gehört dem Wirtschafts- und Zukunftsrat des Hessischen Wirtschaftsministeriums an.

Frau Dr. Traud, die Energiepreise und andere Rohstoffe wie Getreide waren ein wesentlicher Treiber der Inflation im vergangenen Jahr. Deren Preise liegen mittlerweile unter Vorjahresniveau. Warum rechnen Sie dennoch erneut mit einer hohen Inflation, die laut Ihrer Schätzung um die 6 Prozent liegt?

Die deutsche Inflationsrate ist im Dezember 2022 von 10 Prozent auf 8,6 Prozent gesunken, unter anderem weil der monatliche Gasabschlag vom Staat übernommen wurde und viele Menschen dadurch Geld sparen. Ohne diesen Sondereffekt dürfte die Teuerungsrate im Januar wieder auf mehr als 9 Prozent steigen. Dennoch sollten die Preise im Laufe des Jahres immer langsamer steigen.Entlastungen kommen ab März 2023 von der Preisdeckelung für Gas und Strom. Positiv ist auch, dass die Lieferketten wieder besser funktionieren. Die für die Produktion nötigen Vorprodukte verteuern sich nicht mehr so stark wie 2022.Allerdings könnten die Verbraucherpreise steigen, weil sich wichtige Staaten wirtschaftlich stärker voneinander abgrenzen, statt enger zu verbinden. Der Klimaschutz macht einige Produkte teurer. Zudem geben die Staaten sehr viel Geld aus, was ebenfalls die Inflation erhöht. In Summe rechnen wir damit, dass die deutsche Inflation 2023 im Jahresdurchschnitt bei 6 Prozent liegen wird und 2024 bei 3,5 Prozent. Das wäre dann immer noch deutlich über dem EZB-Ziel von etwa 2 Prozent.

Da die Zukunft ungewiss ist, rechnen Sie in Wahrscheinlichkeiten. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Inflation schon 2023 überraschend deutlich in Richtung 2-Prozent-Ziel sinkt oder sogar das Thema Deflation, also fallende Preise, wieder akut wird?

Damit die Preise stärker sinken, müsste es schon eine starke Rezession geben. Das halten wir mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 25 Prozent für nicht so wahrscheinlich. Dass es, wie beschrieben, eine relativ hohe Inflationsrate von 6 Prozent gibt, ist für uns am wahrscheinlichsten. Sollte die Wirtschaft hingegen stark wachsen, könnte die Inflation sogar noch höher liegen.

Auch die EZB hat mit den Zinserhöhungen ein Stück weit die Inflation eingedämmt. Sie gehen davon aus, dass die Zinsen nach dem Winter nicht weiter steigen. Käme das Ende der Zinssteigerungen nicht zu früh, wenn die Inflation noch so hoch ist?

Aktuell sieht es so aus, dass die EZB die Zinsen bis zum März 2023 auf 3,5 Prozent anhebt. Sie würde inflationsseitig zwar auf Nummer sicher gehen, wenn sie die Leitzinsen noch deutlich weiter anhebt. Allerdings sprechen einige Gründe gegen noch höhere Zinsen: Die beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen wirken nur mit Verzögerung. Daher ergibt es Sinn, zunächst die Wirkung zu beobachten und nicht noch weiter die Zinsen zu erhöhen. Ab dem Frühjahr wird die EZB zudem weniger Staatsanleihen und andere Wertpapiere kaufen. Dadurch verringert sich die Geldmenge im System. Weniger Geld bedeutet weniger Nachfrage, was die Preise weniger stark steigen lässt. Diese Maßnahme könnte die EZB bei Bedarf noch ausweiten.

Die Inflation kam vermeintlich überraschend. Die Rate begann beispielsweise in den USA jedoch schon ein Jahr vor dem Ukraine-Krieg deutlich zu steigen. Welche Risiken neuerlicher Preissprünge sehen Sie?

Sollte sich die Lage an der Corona-Front nochmals verschärfen, könnten einige Waren erneut knapp werden. Die aktuelle Lage in China mahnt zur Vorsicht. Auch die Preise an den Energiemärkten können weiter schwanken. Die momentane Entspannung kann sehr schnell kippen, wenn das Angebot stark zurückgeht oder die Nachfrage nach Energie stark steigt, weil beispielsweise die Temperaturen wieder frostig werden.

Höhere Gehälter könnten die Vermögensverluste durch die Inflation ausgleichen. Doch obwohl der Fachkräftemangel in Deutschland spürbar ist und die Inflation hoch, steigen die Gehälter bislang kaum: Die Nominallohnsteigerungen liegen in etwa beim langjährigen Mittel von 3 Prozent. Erwarten Sie hier künftig stärkere Gehaltssteigerungen und könnte dies mittelfristig sogar ein Inflationstreiber sein?

Stand: 16.02.2023

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