Zwei Frauen arbeiten gemeinsam in einem Gemeinschaftsgarten

Das sind die Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen

Modelle für Arbeit und Leben
Alle deutschen Staatsangehörigen, die sich dauerhaft im Inland aufhalten, sollen von der Geburt bis zum Tod pro Monat einen festgelegten Betrag vom Staat bekommen. Was spricht dafür? Und was dagegen?

Das Wichtigste in Kürze:

53 Prozent der Befragten in Deutschland sind „für“ oder sogar „sehr für“ die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. 36 Prozent sind „dagegen“ oder „sehr dagegen“. 11 Prozent der Befragten „wissen nicht“, wie sie sich entscheiden sollen. Das sind zumindest die Ergebnisse einer Compass-Online-Befragung, die in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin 2023 ausgewertet wurden.

Das bedeutet bedingungsloses Grundeinkommen

Seit einigen Jahren diskutieren Politikerinnen und Politiker immer wieder über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Das Konzept dahinter: Jeder Bürger und jede Bürgerin sollen monatlich einen gesetzlich festgelegten Betrag vom Staat erhalten. Ohne Bedingungen. Ohne Gegenleistung. Ohne den Zwang zu arbeiten. Das Grundeinkommen trennt damit Arbeit und Einkommen voneinander. Andere soziale Leistungen wie das Arbeitslosengeld oder das Kindergeld entfallen bis auf wenige Ausnahmen. 

Es gibt unterschiedliche Modelle in Bezug auf Ausgestaltung, Einkommenshöhe und entstehende Kosten

Viele Argumente für und gegen das bedingungslose Grundeinkommen funktionieren nur auf Grundlage bestimmter Annahmen dazu, wie dieses ausgestaltet sein würde. So ist es für die Auswirkungen etwa wichtig, wie hoch das BGE gegebenenfalls wäre, welche anderen Leistungen es ersetzen würde und – nicht zuletzt – wie und zu welchem Preis es finanziert werden könnte.

Das Bundesfinanzministerium hat in einem Gutachten (Stand 2021) den Preis für die Umsetzung eines BGE in Höhe von 1.208 Euro monatlich für Erwachsene und 684 Euro monatlich für Kinder ausgerechnet. Das Ergebnis: Die Umsetzung dieses Modells könnte in Deutschland knapp 900 Milliarden Euro jährlich kosten – wobei bisherige Sozialleistungen, die dann entfallen, bereits gegengerechnet sind. Das würde bedeuten, dass deutlich mehr als 70 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens über den Staat umverteilt würden. Andere Modelle gehen unter anderem von einer stark unterschiedlichen Höhe der Auszahlungen aus.

Pro und Kontra: Das spricht für beziehungsweise gegen eine Einführung

Die jeweilige Ausgestaltung, die Höhe des ausgezahlten Betrags sowie die für die Gesellschaft entstehenden Kosten und deren Finanzierung müssen natürlich grundsätzlich mitgedacht und abgewogen werden, um überhaupt differenziert argumentieren zu können. Damit Sie sich eine Meinung bilden können, haben wir im Folgenden häufig genannte Argumente von Befürwortenden und Ablehnenden pauschal nebeneinandergestellt, ohne diese zu werten.

Pro

Pro: häufig genannte Argumente dafür

  • Die Menschen würden sich sicherer fühlen und können ihr Leben freier gestalten, ohne von Existenzängsten geleitet zu werden.

  • Die Menschen würden weniger unter Stress leiden und könnten damit gesünder leben und ihre Entscheidungen tiefer überdenken sowie bewusster treffen.

  • Existentielle Notlagen und Armut könnten wirksam verhindert werden.

  • Die Berufswahl würde gegebenenfalls stärker danach ausgerichtet, was jemand tun und bewegen möchte als nach finanziellen Beweggründen.

  • Soziales Engagement könnte für mehr Menschen möglich werden.

  • Mehr Menschen könnten in Teilzeit arbeiten, wodurch sich die Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern könnte.

  • Dadurch dass insgesamt mehr Menschen in Teilzeit arbeiten, könnte es Fortschritte bei der Gleichstellung von Mann und Frau geben. Denn bisher wechseln viele Frauen in Teilzeit, um ihre Kinder zu erziehen – häufig mit Folgen für die Karriere.

  • Wäre die gesamte Bevölkerung finanziell grundabgesichert, wären ökologische Entscheidungen, die sich ökonomisch negativ auswirken könnten, womöglich eher und sozial verträglicher umsetzbar. Solche Entscheidungen würden durch die Folgen des Klimawandels in den kommenden Jahren voraussichtlich vermehrt getroffen werden müssen.

  • In Sachen Bürokratie könnten Kosten eingespart werden, wenn das BGE viele bisherige Leistungen ersetzt, die bisher beantragt werden mussten, zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Kindergeld.

  • Menschen ohne Arbeit würden weniger stigmatisiert werden.

  • Es wäre gerecht, dass alle Menschen die Leistung bekommen, nicht nur bestimmte.

  • Die Auswirkungen von Digitalisierung und dem zunehmendem Wegfall von Arbeitsplätzen durch vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Zukunft würden einen Umbau des Sozialstaats zwangsläufig notwendig machen.

Contra

Contra: häufig genannte Argumente dagegen

  • Eine mögliche Finanzierung eines BGE würde große Fragen aufwerfen. Wenn diese überhaupt möglich wäre, müsste dafür an vielen anderen Stellen stark gespart werden. Der Sozialstaat wäre je nach Ausgestaltung weitgehend abgeschafft.

  • Die Menschen hätten weniger Motivation zu arbeiten.

  • Einige Menschen würden gar nicht mehr arbeiten. Dadurch könnte die Wirtschaftsleistung enorm sinken.

  • Eine Teilfinanzierung des BGE über Steuererhöhungen könnte dazu führen, dass noch weniger Menschen arbeiten wollten. Denn finanziell würde es sich durch hohe Steuern weniger lohnen.

  • Eine Teilfinanzierung des BGE über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde Produkte teurer machen und sich damit auf die Kaufkraft auswirken.

  • Bestimmte Berufe würde möglicherweise niemand mehr ausüben wollen.

  • Der aktuelle Fachkräftemangel in Deutschland würde zusätzlich verstärkt werden, wenn weniger Menschen arbeiten.

  • Der Staat beziehungsweise die Gesellschaft könnte von Leistungsunwilligen ausgenutzt werden.

  • Es wäre ungerecht, dass nicht nur Bedürftige, sondern alle die Leistung bekommen.

  • Es wäre ungerecht, wenn alle dieselbe Summe erhalten. Denn die Kosten sind abhängig vom Wohnort stark unterschiedlich.

  • Es wäre ein massiver Umbau des Sozialstaats nötig.

So funktioniert die aktuelle Studie „Pilotprojekt Grundeinkommen“

Mehrere Studien haben sich bereits mit den Auswirkungen eines Grundeinkommens auf Bürgerinnen und Bürger verschiedener Staaten beschäftigt. Die Ergebnisse sind dabei unterschiedlich ausgefallen. In Deutschland läuft aktuell noch bis Mai 2024 die insgesamt dreijährige Studie „Pilotprojekt Grundeinkommen“. Das ist ein unabhängiges Forschungsprojekt, das von mehreren tausend Privatpersonen finanziert wird. Die Forschungen leiten das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität zu Köln und der Wirtschaftsuniversität Wien.

Modell Grundeinkommen

Für das Experiment bekommen 122 Menschen in Deutschland ein monatliches Grundeinkommen von 1.200 Euro. Was sie damit machen, ist ihnen überlassen. Arbeiten sie, bekommen sie das bedingungslose Grundeinkommen zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen. Mit der Studie sollen die Effekte eines Grundeinkommens erforscht werden.

Es ist natürlich möglich, dass das Ergebnis von einer realen Umsetzung eines Grundeinkommen in der Gesellschaft abweicht, weil die Teilnehmenden von Vornherein wissen, dass sie das Geld „nur“ für drei Jahre bekommen. So ist ihnen klar, dass sie danach voraussichtlich wieder auf dem Arbeitsmarkt bestehen müssen. Womöglich führt das dazu, dass sie ihre Zeit beispielsweise eher mit Weiterbildungsmaßnahmen oder beruflich förderlichen Aktivitäten verbringen, als das bei einem lebenslangen bedingungslosen Grundeinkommen der Fall wäre. Wie sich alles tatsächlich verhält, wird sich erst nach Auswertung der Studie zeigen.

Modell Mindesteinkommen

Wenn das Grundeinkommen deutliche Effekte auf die Testpersonen haben wird, ist aktuell eine zweite Studie angedacht. Dabei werden die Forschenden versuchen herauszufinden, was passiert, wenn die Menschen statt mehr Geld „nur“ mehr Sicherheit haben. Dafür wird ein anderes Modell getestet, dass das Einkommen von Menschen mit weniger als 1.200 Euro auf insgesamt 1.200 Euro auffüllt. Hier geht es also um ein Mindesteinkommen. Der Vorteil dieses Modells ist unter anderem, dass es die Gesellschaft weniger Geld kosten würde.

Nachdem auch diese zweite Studie ausgewertet ist, soll eventuell eine dritte Studie folgen. In dieser soll es dann konkreter um ein mögliches Finanzierungskonzept gehen.

Häufige Fragen zum bedingungslosen Grundeinkommen

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Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Laut Definition ist ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ein Einkommen, das eine Gesellschaft ihren Mitgliedern monatlich ausbezahlt – ohne Gegenleistung und unabhängig von einer vorliegenden Bedürftigkeit. Dadurch soll das finanzielle Existenzminimum für jeden gesichert sein. Eine Erwerbsarbeit auszuüben, also arbeiten zu gehen, würde damit freiwillig werden.

In Deutschland gibt es gesetzlich kein bedingungsloses Grundeinkommen. Grundsätzlich hätte bei einer Einführung eines solchen aber jeder deutsche Staatsbürger und jede -bürgerin, die sich dauerhaft im Inland aufhalten, Anspruch darauf. So soll die Teilnahme und finanzielle Existenz aller in der Gesellschaft gesichert werden.

In der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gibt es unterschiedliche Modelle. Diese sehen monatliche Auszahlungen in verschiedener Höhe vor. Im „Pilotprojekt Grundeinkommen“ erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer derzeit beispielsweise 1.200 Euro monatlich.

Bis zum 10. November 2020 konnten sich Interessierte für die erste Studie des „Pilotprojekts Grundeinkommen“ bewerben. Mittlerweile können Sie sich nicht mehr bewerben. Die Studie endet im Mai 2024. Nach der Auswertung wird entschieden, ob eine zweite Studie folgt. 

Es gibt mehrere Länder, in denen Pilotprojekte zu einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) stattgefunden haben oder aktuell stattfinden. Diese greifen jedoch jeweils nur für eine kleine Gruppe von Testpersonen, nicht für eine ganze Bevölkerung eines Staats. In der Regel sind die Projekte außerdem zeitlich befristet.

Mit dem „Pilotprojekt Grundeinkommen“ findet ein solches Projekt derzeit auch in Deutschland statt. Außerdem gab oder gibt es solche Projekte beispielsweise in Finnland, den Niederlanden, Spanien, Kanada, Kenia, Namibia, Indien und Brasilien.

Bei vielen Modellen bekommen die Teilnehmenden zum Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zusätzlich das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Um ein BGE in der Praxis finanzieren zu können, würden allerdings je nach Ausgestaltung wesentlich höhere Steuern nötig sein. Würden Erwerbseinkommen jedoch durch extrem hohe Steuern belastet, könnte es insbesondere für Besserverdienende nachteilig sein: Denn das zusätzliche Grundeinkommen wird ihnen quasi „wegversteuert“ – und ist dann netto gleich 0,00 Euro oder weniger, also nicht tatsächlich ein zusätzliches Einkommen.

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