
Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wäre eine staatliche Geldleistung für alle, die die monatlich gesellschaftliche Teilhabe sichern sowie Sozialleistungen ersetzen soll. Erwerbsarbeit wäre freiwillig.
Befürworter erwarten mehr Sicherheit, weniger Stress und mehr persönliche Freiheit. Kritiker sehen hohe Kosten, sinkende Arbeitsmotivation und Risiken für die Wirtschaft.
Das Pilotprojekt „Mein Grundeinkommen“ lief von 2021 bis 2024: 122 Erwerbstätige erhielten 3 Jahre lang monatlich 1.200 Euro. Die Studie ist abgeschlossen – zeigt positive Effekte, ist aber nicht repräsentativ.
53 Prozent der Befragten in Deutschland sind „für“ oder sogar „sehr für“ die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. 36 Prozent sind „dagegen“ oder „sehr dagegen“. 11 Prozent der Befragten „wissen nicht“, wie sie sich entscheiden sollen. Das sind zumindest die Ergebnisse einer Compass-Online-Befragung, die in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin 2023 ausgewertet wurden.
Das bedeutet bedingungsloses Grundeinkommen
Seit einigen Jahren diskutieren Politikerinnen und Politiker immer wieder über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Das Konzept dahinter: Jeder Staatsangehörige mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland soll monatlich einen gesetzlich festgelegten Betrag vom Staat erhalten. Ohne Bedingungen. Ohne Gegenleistung. Ohne den Zwang zu arbeiten. Anteilig schon von Geburt an.
Das Grundeinkommen trennt damit Arbeit und Einkommen voneinander. Damit könnten andere soziale Leistungen wie das Arbeitslosengeld, Bürgergeld, Wohngeld oder das Kindergeld bis auf wenige Ausnahmen entfallen.
Grundeinkommen: Unterschiedliche Modelle, unterschiedliche Folgen
Beim bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) gibt es kein einheitliches Konzept. Die Auswirkungen hängen stark davon ab, wie genau das Modell ausgestaltet ist:
- Wie hoch ist das monatliche Grundeinkommen?
- Welche Sozialleistungen würden im Gegenzug entfallen?
- Und vor allem: Wie lässt sich das Ganze finanzieren?
Viele Argumente – ob dafür oder dagegen – greifen nur, wenn man diese Faktoren klar definiert.
Ein Beispiel: Das Bundesfinanzministerium hat in einem Gutachten von 2021 berechnet, was ein monatliches BGE von 1.208 Euro für Erwachsene und 684 Euro für Kinder kosten würde. Ergebnis: Rund 900 Milliarden Euro pro Jahr – nach Abzug bestehender Sozialleistungen, die dann wegfallen würden. Das würde bedeuten: Damit der Staat diese Summe auszahlen kann, müsste er das Geld irgendwo herbekommen – zum Beispiel über höhere Steuern oder Abgaben.
Andere Modelle rechnen mit deutlich niedrigeren oder gestaffelten Auszahlungen, um die Kosten zu senken.
Pro und Contra: Warum die Debatte so kompliziert ist
Das Grundeinkommen polarisiert wie kaum ein anderes sozialpolitisches Konzept. Für die einen ist es ein Weg zu mehr Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und sozialem Fortschritt – für die anderen eine riskante Illusion mit unklarem Preis. Die Idee vom BGE berührt zentrale Fragen unseres Zusammenlebens: Wie viel Sicherheit braucht der Mensch – und wie viel Eigenverantwortung? Wie definieren wir Arbeit? Wer verdient was – und warum? Es geht also nicht nur um Geld, sondern um Grundhaltungen, Werte und das Selbstbild einer Gesellschaft im Wandel.
Hier ein Überblick zu häufig genannten Argumenten beider Seiten:
Pro: häufig genannte Argumente dafür
Menschen könnten ohne Existenzangst leben und ihr Leben freier gestalten. Weniger Stress und mehr mentale Gesundheit wären möglich.
Entscheidungen würden bewusster und langfristiger getroffen.
Armut und existenzielle Notlagen könnten wirksam verhindert werden.
Alle würden gleich behandelt – unabhängig von Bedürftigkeit oder Herkunft.
Erwerbslose würden weniger stigmatisiert.
Berufswahl könnte stärker nach Interessen und Sinn statt nach Einkommen erfolgen.
Mehr Menschen könnten sich ehrenamtlich oder kreativ engagieren.
Fortschritte bei der Gleichstellung, da Teilzeit in der Familie anders verteilt werden könnte.
Finanzielle Grundsicherung könnte nachhaltige Entscheidungen erleichtern.
In Zeiten von Klimawandel und KI-Verdrängung könnte das BGE ein neues soziales Fundament bilden.
Staatliche Prozesse könnten verschlankt werden, weil viele heutige Sozialleistungen ersetzt würden.
Contra: häufig genannte Argumente dagegen
Ein BGE in realistischer Höhe wäre extrem teuer – mit Einschnitten an anderer Stelle. Der Sozialstaat wäre je nach Ausgestaltung weitgehend abgeschafft.
Eine Finanzierung über höhere Steuern könnte Arbeitsanreize schwächen.
Bei einer möglicherweise notwendigen Mehrwertsteuererhöhung würde der Konsum gebremst und Geringverdienende belastet werden.
Weniger Menschen könnten bereit sein zu arbeiten; manche würden sich komplett vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Der Fachkräftemangel würde sich verschärfen. Unbeliebte, aber notwendige Berufe könnten unbesetzt bleiben.
Die Wirtschaftsleistung könnte insgesamt sinken.
Das BGE würde auch an Menschen gezahlt, die es nicht brauchen – das empfinden viele als ungerecht. Es droht Missbrauch durch „Leistungsunwillige“.
Gleiche Beträge für alle ignorieren regionale Unterschiede bei Lebenshaltungskosten.
Eine sanktionsfreie Mindestsicherung oder eine andere Zahlung nur für Bedürftige wäre gezielter und fairer.
Internationale Erfahrungen mit dem Grundeinkommen
Mehrere Länder haben das bedingungslose Grundeinkommen bereits im Praxistest erprobt – mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen. In Finnland erhielten 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose zwei Jahre lang 560 Euro monatlich. Die Teilnehmenden waren nach eigenen Angaben glücklicher, gesünder und fühlten sich unabhängiger. Auch in Kanada lief ein vergleichbares Projekt in der Provinz Ontario, das jedoch nach einem Regierungswechsel (von liberal zu konservativ) gestoppt wurde. Erste Auswertungen zeigten auch dort mehr Stabilität im Alltag und neue berufliche Perspektiven. In Kenia erhalten seit mehreren Jahren Tausende Menschen regelmäßig Geld, finanziert über Spenden. Studien belegen dort Verbesserungen in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und lokales Unternehmertum. Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen deuten viele internationale Projekte auf ähnliche Effekte hin: Ein Grundeinkommen kann Menschen entlasten, stabilisieren – und verändern, wie sie ihr Leben gestalten.
Deutschlands Pilotprojekt: 3 Jahre Grundeinkommen
Auch Deutschland testet das Grundeinkommen: So erhielten 122 berufstätige Erwachsene in den Jahren 2021 bis 2024 monatlich 1.200 Euro – zusätzlich zu ihrem Einkommen, ohne Bedingungen. Die Ergebnisse der ersten deutschen Langzeitstudie zum Grundeinkommen wurden im April 2025 veröffentlicht. Organisiert wurde das spendenfinanzierte Projekt vom Verein „Mein Grundeinkommen“. Die wissenschaftliche Begleitung übernahmen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die Wirtschaftsuniversität Wien und die Universität zu Köln. Die Teilnehmenden arbeiteten nicht weniger, fühlten sich aber ausgeglichener, sicherer und unabhängiger. Viele nutzten das Geld für Weiterbildung, Familienzeit oder neue berufliche Wege. Kritiker verweisen auf die geringe Teilnehmerzahl und fehlende Repräsentativität.
Verlosungen beim Verein „Mein Grundeinkommen“
Die gemeinnützige Organisation „Mein Grundeinkommen“ verlost regelmäßig Grundeinkommen – jedoch nicht in festem Rhythmus. Eine Verlosung findet jeweils dann statt, wenn über Spenden mindestens 12.000 Euro zusammengekommen sind. Größere Aktionen wie die Jubiläumsverlosung im November 2024 mit 50 Grundeinkommen sind Ausnahmen. Die nächste große Verlosung ist für den 1. Mai 2025 geplant – mit mehr als 30 zu vergebenden Grundeinkommen.
Was die Studie besonders bemerkenswert macht, sind einige Ergebnisse, mit denen so kaum jemand gerechnet hätte.
Konsum mit Köpfchen – und Investitionen in die Zukunft
Wer ein Grundeinkommen erhält, gibt das Geld nicht einfach sorglos aus – im Gegenteil. Die aktuelle Studie des Vereins „Mein Grundeinkommen“ zeigt: Teilnehmende nutzen das zusätzliche Budget zwar auch für alltäglichen Konsum, doch meist mit Bedacht. Gekauft wird, was lange aufgeschoben wurde – Dinge des täglichen Bedarfs, dringend benötigte Haushaltsgeräte oder Reparaturen. Von verschwenderischem Verhalten keine Spur. Besonders bemerkenswert: Ein spürbarer Teil der Befragten investiert gezielt in Weiterbildung. Ob Sprachkurs, Online-Seminar oder berufliche Neuorientierung – das Grundeinkommen eröffnet neue Möglichkeiten, in die eigene Entwicklung zu investieren. Ein finanzieller Spielraum, der nicht nur kurzfristig entlastet, sondern nachhaltig wirkt.
Sparen und teilen: So verändert das Grundeinkommen das Verhalten
Die Teilnehmenden des Pilotprojekts vom Verein „Mein Grundeinkommen“ zeigen ein bemerkenswert verändertes Finanzverhalten: Menschen mit Grundeinkommen sparen im Schnitt rund 450 Euro mehr pro Monat als die Vergleichsgruppe – und legen das Geld nicht nur für sich selbst zurück. Viele investieren es langfristig oder bilden Rücklagen für Notlagen.
Erstaunlich ist darüber hinaus auch die soziale Wirkung: Grundeinkommensbeziehende spenden im Schnitt
- 28 Euro pro Monat
- mehr als doppelt so viel wie die Vergleichsgruppe mit 12 Euro.
Beachtlich: Das höhere Spendenverhalten bleibt selbst dann bestehen, wenn die Auszahlung längst beendet ist. Die Studie deutet damit darauf hin, dass das Grundeinkommen nicht nur individuelle Sicherheit stärkt, sondern auch solidarisches Handeln fördert.
Eine andere Idee: Mindesteinkommen. Wohin zielt das?
Neben dem bedingungslosen Grundeinkommen rückt zunehmend auch ein alternatives Konzept in den Fokus: das sogenannte Mindesteinkommen. Dabei geht es nicht um Geld für alle, sondern um eine garantierte Einkommensuntergrenze – gezielt für Menschen mit geringem Verdienst. Das Modell wird als mögliche Weiterentwicklung oder kostenschonendere Variante zum BGE diskutiert und soll in einer Folge-Studie näher untersucht werden.
Unterschied: Grundeinkommen und Grundsicherung
Die Grundsicherung – etwa das heutige Bürgergeld – richtet sich an Menschen mit geringem oder keinem Einkommen. Sie ist antrags- und bedarfsabhängig und greift dann, wenn das eigene Einkommen nicht zum Leben reicht.
Ein Grundeinkommen wäre dagegen bedingungslos und würde allen Bürgerinnen und Bürgern automatisch ausgezahlt – unabhängig von Einkommen, Vermögen oder Lebenssituation. Es soll nicht nur absichern, sondern grundlegende Teilhabe ermöglichen.
Grundeinkommen statt Sozialhilfe? Was hinter der Idee steckt
Die Idee eines Grundeinkommens wirft grundlegende Fragen auf: Wer hätte Anspruch darauf? Wie viel Euro wären nötig, um ein existenzsicherndes Niveau zu erreichen? Und wie unterscheidet sich das Modell eigentlich von bestehenden Leistungen wie der Sozialhilfe? Anders als bei bedarfsabhängigen Leistungen spielt beim Grundeinkommen weder das Einkommen noch das Vermögen eine Rolle – es würde allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Genau darin liegt der Reiz, aber auch die Herausforderung dieses Konzepts.
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Häufige Fragen zum bedingungslosen Grundeinkommen
In Deutschland gibt es gesetzlich kein bedingungsloses Grundeinkommen. Grundsätzlich hätte bei einer Einführung eines solchen aber jede Person mit dauerhaftem legalem Aufenthalt im Inland Anspruch darauf, sofern dies politisch so ausgestaltet wird. Einige Modellvorschläge schließen dauerhaft ansässige Ausländer und Ausländerinnen explizit mit ein. So soll die Teilnahme und finanzielle Existenz aller in der Gesellschaft gesichert werden.
In der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gibt es unterschiedliche Modelle. Diese sehen monatliche Auszahlungen in verschiedener Höhe vor. In Deutschland reichen die diskutierten Beträge von etwa 800 bis 1.500 Euro pro Monat für Erwachsene, abhängig vom Modell. Im „Pilotprojekt Grundeinkommen“ erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 2021 bis 2024 beispielsweise 1.200 Euro monatlich.
Der Verein „Mein Grundeinkommen“ verlost Grundeinkommen regelmäßig, jedoch nicht in einem festen monatlichen Rhythmus. Die Verlosungen finden statt, wenn genügend Spenden gesammelt wurden, um ein Grundeinkommen zu finanzieren. In der Regel wird ein Grundeinkommen verlost, sobald 12.000 Euro durch Spenden zusammengekommen sind. Große Verlosungen sind seltener und werden im Voraus angekündigt.
Weltweit gibt es bislang kein Land, das ein bedingungsloses Grundeinkommen flächendeckend und dauerhaft eingeführt hat. In mehreren Staaten laufen oder liefen jedoch Pilotprojekte – so etwa in Finnland, Kanada, Kenia, Indien, Brasilien, Namibia, Spanien und den Niederlanden. Diese Versuche sind in der Regel zeitlich befristet, regional begrenzt und richten sich an ausgewählte Bevölkerungsgruppen.
Bei vielen Modellen bekommen die Teilnehmenden zum Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zusätzlich das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Das BGE wird grundsätzlich unabhängig vom sonstigen Einkommen gezahlt und nicht – wie bei bisherigen Sozialleistungen – auf Erwerbseinkommen angerechnet. Um ein BGE in der Praxis finanzieren zu können, würden allerdings je nach Ausgestaltung wesentlich höhere Steuern nötig sein. Bei sehr hohen Steuersätzen kann es für Besserverdienende dazu führen, dass das zusätzliche Grundeinkommen durch die Steuerbelastung „aufgefressen“ wird – das Nettoeinkommen bleibt dann gleich oder steigt nur geringfügig. In der Praxis ist das BGE also für viele ein zusätzliches Einkommen, für sehr hohe Einkommen aber oft kein realer finanzieller Zugewinn mehr.