Die Grundsteuer wird vom Finanzamt neu berechnet.
Ob die Regeln rechtens sind, prüfen nun Gerichte. Mitunter lohnt sich ein Einspruch gegen bereits verschickte Steuerbescheide.
Alle Bundesländer haben Grundsteuerinformationsportale für Grundstücksbesitzer und Grundstücksbesitzerinnen eingerichtet.
Vom Jahr 2025 an darf die alte Grundsteuer nicht mehr erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frist gesetzt, weil die bisherigen Berechnungen auf veralteten Werten von 1964 in Westdeutschland und 1935 in Ostdeutschland beruhen, was zu ungerechter Besteuerung geführt hat.
Für die neue Berechnung der Steuersätze mussten die Eigentümerinnen und Eigentümer von 24 Millionen Wohn- und 12 Millionen Gewerbeimmobilien bis Ende Januar 2023 zahlreiche Daten an die Finanzämter übermitteln (nur in Bayern war das bis Ende April 2023 möglich). Nur 82 Prozent nahmen die Abgabe der Grundsteuererklärung bisher vor. Dabei war die ursprüngliche Frist vom 31. Oktober 2022 sogar extra verlängert worden.
Wer die Daten zu spät einreichte, riskierte Verspätungszuschläge und Geldstrafen bis zu 25.000 Euro. Für Immobilien, für die auch nach einer Mahnung keine Daten übermittelt wurden, nehmen die Finanzämter eine Schätzung vor. Die fällt in der Regel zu Ungunsten der Eigentümer und Eigentümerinnen aus.
Die Grundsteuer ist für die Kommunen eine wichtige Einnahmequelle. Die jährliche Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden können Vermieter und Vermieterinnen über die Nebenkostenabrechnung auch auf Mietende umlegen.
Bis Mitte April wurden fast 20 Millionen Steuerbescheide von den Finanzämtern ausgestellt.
Nun zeigt allerdings ein Rechtsgutachten, dass die neue Regelung ebenfalls nicht verfassungskonform sein könnte. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Gregor Kirchhof, der Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg ist. Im Auftrag des „Bund der Steuerzahler Deutschland“ und dem Immobilieneigentümerverband „Haus & Grund Deutschland“ hat Kirchhof sich die Grundsteuerreform näher angeschaut. Sein Fazit: Er hält das Gesetz für verfassungswidrig.
Insgesamt benennt das Gutachten zehn Kritikpunkte. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bodenrichtwerte. Diese seien nicht vergleichbar und enthielten Lücken. Sie werden unter anderem nach zurückliegenden Verkäufen ermittelt. Gibt es in einer Gegend aber zu wenig Daten, werden die aus vorangegangenen Jahren oder vergleichbaren Gebieten genutzt. Wenn mancherorts ältere Werte genutzt würden, könnte aber der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein.
Problematisch sei zudem, dass die Grundsteuer komplizierter würde statt einfacher. Auch sei die Grundsteuer in einigen Ländern deutlich höher als in anderen.
Eine Rechtslücke könne zudem bestehen, da die meisten Grundlagen-Bescheide schon verschickt und bestandskräftig seien, die tatsächliche Höhe aber erst feststünde, wenn die Gemeinden ihre Hebesätze festlegten.
Kirchhof bemängelt auch, dass die öffentliche Hand von den Steuerpflichtigen Daten anfordert, die ihr bereits zugänglich sind.
Die beiden Verbände, die das Gutachten beauftragt hatten, nutzen dieses nun, um gegen das sogenannten Bundesmodell Musterklagen einzureichen. Das Bundesmodell gilt in elf Bundesländern: Berlin, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. In fünf planen die Verbände Musterklagen: Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen.
Auch in Baden-Württemberg, das zwar nicht das Bundesmodell nutze, aber den Bodenrichtwert miteinbeziehe, klagt der dortige Landesverband. Dessen Chef Eike Möller sagte der Stuttgarter Zeitung , die ungeprüfte Verwendung von Bodenrichtwerten sei nicht geeignet, um zu konsistenten Bewertungen von Grundstücken im Zuge der Grundsteuer zu kommen.
Sollte eine Verfassungsklage eingereicht und auch zugelassen werden, würden Bescheide nur noch unter Vorbehalt ausgestellt. Da dies noch nicht der Fall sei, sollten sich Steuerzahlende durch einen generellen Einspruch absichern, sagte Dr. Kai H. Warnecke, der Präsident von „Haus & Grund“ dem MDR. Falls das Grundsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt würde, wäre das Urteil auch für alle Bescheide bindend – unabhängig davon, ob der einzelne Eigentümer Einspruch beim Finanzamt eingelegt hatte.
Einspruch können Sie gegen den Bescheid beim ersten Mal kostenlos einreichen. Beachten Sie aber die Frist: Bis vier Wochen nach Postzustellung des Bescheides, muss der Einspruch eingegangen sein. Musterschreiben finden Sie im Internet. Lehnt das Finanzamt den Einspruch ab, müsste der Eigentümer oder die Eigentümerin vor dem Finanzgericht klagen.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien mussten verschiedene Angaben bereitstellen und eine sogenannte Feststellungserklärung einreichen. Dafür gelten je nach Bundesland andere Regeln und Daten, denn jedes Land konnte sein eigenes Berechnungsmodell für die Grundsteuer beschließen:
Am einfachsten haben es die Eigentümerinnen und Eigentümer in Baden-Württemberg. Dort entscheidet nur die Grundstücksfläche, kombiniert mit dem amtlich ermittelten Bodenrichtwert, über die Höhe der neuen Grundsteuer. Die Größe des Gebäudes darauf und sein Wert sind unerheblich. Folgende Daten müssen zusammengetragen werden:
Etwas arbeitsintensiver ist das Flächenfaktormodell in Bayern, Hessen, Niedersachsen und Hamburg. Dafür benötigen die Finanzämter:
Den größten Aufwand verursacht die Berechnung in den anderen elf Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern). Das vom Bund vorgeschlagene Modell, daher auch Bundesmodell genannt, soll die Werte der Grundstücke und Gebäude möglichst genau abbilden:
Die Grundsteuer wird in vier Schritten ermittelt. Auf Grundstücke mit Wohnbebauung wird sie jährlich erhoben.
Legt das Finanzamt beispielsweise für eine Wohnimmobilie 100.000 Euro fest, gilt dieser Betrag als Grundlage für die Berechnung. Ist die Steuermesszahl 3,5 angesetzt, werden die 100.000 mit 0,0035 multipliziert. Das Ergebnis: Ein Steuermessbetrag von 350. Diese 350 wird mit dem Hebesatz der Gemeinde, beispielsweise 400 Prozent, multipliziert. Die Grundsteuer beträgt 350 x 4 / 100 = 1.400 Euro.
Die wenigsten Menschen dürften schon über die benötigten Daten verfügen. Um sie zusammenzutragen, ist der Besuch des Grundbuchamts der jeweiligen Kommune hilfreich. Denn im Grundbuch finden sich unter anderem die Grundstücksfläche und die Flurnummer, also die „Registrierungsnummer“ des Anwesens.
Den im Bodenwert- und im Bundesmodell geforderten Bodenrichtwert (der für die Grundsteuer anzusetzende Preis für das Grundstück) liefert das Online-System „Boris“. Das ist auf den offiziellen Internetseiten der Bundesländer zu finden. Dort müssen die Immobilieneigentümerinnen oder -eigentümer lediglich Ort und Straße eingeben bzw. ihr Grundstück auf einer Online-Landkarte anklicken. Dann erfahren sie – meist kostenlos – die Quadratmeterpreise.
Die Größe der Wohnfläche findet sich meist in Bauplänen, Kaufverträgen oder Versicherungspolicen. Bei vermieteten Häusern und Wohnungen lässt sie sich auch der Nebenkostenabrechnung oder dem Mietvertrag entnehmen.
Liegen keine offiziellen Flächenangaben vor, müssen die Wohnungen oder Häuser gemessen werden. Es gibt professionelle Vermesser, die das für einige hundert Euro erledigen. Übernehmen die Besitzerinnen oder Besitzer selbst diese Aufgabe, ist es wichtig, sich nach der Wohnflächenverordnung zu richten. Sie legt fest, welche Räume als Wohnfläche gelten.
Nicht mitgezählt werden müssen für gewöhnlich Keller, Abstellräume oder die Waschküche. Räume mit Dachschrägen, niedrigen Deckenhöhen und ein Schwimmbad zählen in der Regel halb, ein Balkon oder eine Terrasse ein Viertel.
Bei dieser Berechnung ist es wichtig, sehr genau vorzugehen. Denn: Je größer die Wohnfläche, desto höher die Grundsteuer. Bei der Angabe des Baujahrs gilt der Erstbezug. Kernsanierungen müssen ebenfalls angegeben werden. Denn sie erhöhen den Wert – und damit die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer.
Einige Länder wie Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg haben noch eine Sonderregelung festgelegt, um die Bebauung von Grundstücken zu fördern: Ist das Grundstück unbebaut, aber baureif, dürfen die Kommunen eine höhere Grundsteuer festlegen.
Die Grundsteuer besteuert Besitz und Bebauung von Grundstücken. Im Gegensatz zur Grunderwerbsteuer fällt die Grundsteuer regelmäßig an. Bei der Berechnung der Grundsteuer sind die relevanten Werte von zahlreichen Faktoren abhängig: Unter anderem davon, ob sich die Immobilie in den neuen oder alten Bundesländern befindet, welches Finanzamt zuständig ist und welchen Steuerhebesatz die Gemeinde veranschlagt.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die bislang bestehende Form der Grundsteuer verfassungswidrig ist. Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass die Werte völlig überaltert sind und damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Grundgesetz verstoßen. Außerdem urteilte das Gericht, dass bis Ende 2024 rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden müssen.
Ab 1. Januar 2025 muss die reformierte Grundsteuer angewandt werden. Ende 2019 wurde deshalb auf Bundesebene das Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) verabschiedet. Die Umsetzung des Gesetzes liegt nun maßgeblich bei den Bundesländern und Kommunen.
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass die Grundsteuer wertabhängig bleibt. Es gibt eine Klausel, die den Bundesländern erlaubt, eigene Regeln für die Berechnung der Grundsteuer aufzustellen. Bundesweit gerechnet soll die Reform kostenneutral ausfallen und Grundbesitzerinnen sowie -besitzer sollen mit der Regelung in Summe nicht höher besteuert werden. Für den Einzelnen kann das aber dennoch höhere Steuern bedeuten, für andere dann entsprechend weniger.
Nach der Reform berechnet sich die Grundsteuer anhand des „Grundsteuerwerts“ wie bislang: Wert des Grundbesitzes x Steuermesszahl x Hebesatz.
Ein Hebesatz ist ein Faktor, den die Gemeinde festlegt und der dazu dient, die tatsächliche Höhe einer Steuerschuld zu bestimmen. Hebesätze werden auf die Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer) angewandt. Sie werden in Prozent ausgedrückt. Der Steuermessbetrag wird mit bindender Wirkung für die Gemeindevertretung durch die Finanzverwaltung ermittelt. Beträgt ein Hebesatz beispielsweise 350 Prozent, wird der Steuermessbetrag mit 3,5 multipliziert.
Den Wert ermittelt das zuständige Finanzamt auf Grundlage der Grundsteuererklärung, die Eigentümerinnen und Eigentümer abgeben müssen. Die Regelung betrifft auch unbebaute Grundstücke, für die die Abgabe ebenfalls fällig wird. Das Verfahren, um die Höhe der Steuer zu berechnen, unterscheidet sich von Land zu Land.
Die grundsätzlichen Positionen zur Berechnung der Steuer ändern sich nicht. Dennoch müssen Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ab 2022 höhere Grundsteuern zahlen. Der Grund: Viele Gemeinden erhöhen die Hebesätze für die Grundsteuer . In vielen Kommunen steigt die Grundsteuer sogar zweistellig.
In den Innenstadtlagen dürfte es ab 2025 noch einmal teurer werden. Denn hier sind die Immobilienpreise und die Mieten in den zurückliegenden Jahren stärker gestiegen als auf dem Land. Dort dürfte es dagegen preiswerter werden.
Ziel der Grundsteuerreform ist es, für Fairness zu sorgen sowie die bisherigen Bewertungsverfahren zu vereinfachen. Die Reform soll „aufkommensneutral“ bleiben. Das bedeutet, dass die jährlichen Steuereinnahmen, sprich die Steuerlast für Immobilienbesitzerinnen und -besitzer, insgesamt nicht steigen werden. Wie sich das auswirkt, bleibt noch abzuwarten.
Die Grundsteuer sollte unter anderem gerechter werden. Der Steuerrechtsexperte Prof. Dr. Gregor Kirchhof argumentiert aber, dass die neue Grundsteuer-Berechnung in einigen Bundesländern verfassungswidrig sei. Er kritisiert, wie die Bodenrichtwerte zur Berechnung eingesetzt werden. Seiner Ansicht nach sind die Bodenrichtwerte nicht vergleichbar, auch würden viele Faktoren wie Baumängel, Altlasten oder Denkmalschutz bei der Grundstücksbewertung nicht berücksichtigt. Das betrifft all jene Bundesländer, die das vom Bund empfohlene Berechnungsmodell nutzen, sowie Baden-Württemberg. Der „Bund der Steuerzahler“ und der Eigentümerverband „Haus & Grund“ verkündeten daher, gegen die Regelung zu klagen.
Wenn Sie den Grundsteuerbescheid vom zuständigen Finanzamt erhalten haben, bleiben Ihnen vier Wochen Zeit für einen Einspruch. Dabei können Sie beispielsweise fehlerhafte Daten und Informationen bemängeln, die beim Berechnen verwendet wurden. Wenn Sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an sich haben, können Sie auch das als Grund anführen. Musterschreiben finden sich für verschiedene Varianten im Internet. Der erste Einspruch ist kostenfrei. Sollte das Finanzamt Ihren Einspruch ablehnen, bleibt Ihnen eine Klage vor dem Finanzgericht.
Die Gemeinden setzen ihre Hebesätze selbst fest. Der Hebesatz ist einer der Faktoren, die die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer bestimmen. Dabei unterscheiden die Kommunen in der Regel zwei Hebesätze: Die Grundsteuer A betrifft land- und forstwirtschaftliche Grundstücke. Das „A“ steht dabei für „agrarisch“. Die Grundsteuer B steht für „baulich“ und fällt bei bebauten und unbebauten privaten sowie gewerblichen Grundstücken an.