Referenzzinssätze werden regelmäßig und automatisch aktualisiert und sind öffentlich zugänglich. Diese werden auch Indices, Benchmarks oder kurz Referenzzinsen genannt.
Referenzzinssätze werden von einer unabhängigen Stelle berechnet und sollen eine verlässliche sowie unabhängige Bezugsgröße für alle Beteiligten darstellen. Verwendete Referenzzinsen spiegeln in der Regel die Kosten für Kredite in den verschiedenen Märkten wider.
Referenzzinssätze sind eine wichtige Grundlage für alle Arten von Finanzprodukten mit einer variablen Verzinsung, z. B. für Baufinanzierungen, Dispositionskredite, Einlagen und komplexere Finanzgeschäfte wie Wertpapiere.
Eine variable Verzinsung bedeutet, dass der Zinssatz während der Laufzeit steigen oder fallen kann.
Eine in Deutschland weit verbreitete Form der variablen Verzinsung ist der sogenannte gleitende Durchschnittszins. Dieser setzt sich aus aktuellen sowie historischen Geld- und Kapitalmarktzinsen zusammen. Der gleitende Durchschnitt ist der arithmetische Mittelwert aus dem Basiswert eines Stichtages und denen vorangegangener Stichtage in Abhängigkeit von der gewählten Laufzeit.
Für Jahrzehnte wurden Interbank Offered Rates (IBOR) als grundlegende Referenzzinssätze in den globalen Finanzmärkten verwendet. Mit der Einführung von eintägigen, risikofreien Zinssätzen (RFR) und daraus abgeleiteten Benchmarks stehen neue Alternativen bereit.
IBOR und RFR weisen unterschiedliche Eigenschaften auf, welche im Folgenden näher beleuchtet werden.
Interbanken-Raten (IBOR) sind Zinssätze, zu denen Banken sich untereinander Geld „leihen“. Deren Ermittlung stützte sich im Wesentlichen auf Einschätzungen ausgewählter Finanzinstitute (sogenannter Panelbanken).
Der variable Zins auf Basis eines IBOR steht immer bereits vor Beginn einer Zinsperiode fest. So bestimmt beispielsweise der aktuelle 6-Monats-EURIBOR die Zinsrate für eine Periode der kommenden 6 Monate.
Der EURIBOR („Euro Interbank Offered Rate“) umfasst Durchschnittszinssätze des Euro-Geldmarkts, zu denen sich ausgewählte Kreditinstitute aus aktuellen oder ehemaligen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) gegenseitig Geld „leihen“.
Der EURIBOR wird für 5 Laufzeiten (1 Woche, 1, 3, 6, 12 Monate) täglich durch das European Money Markets Institute − die EMMI − veröffentlicht.
Der EURIBOR wird mittels einer sogenannten hybriden Methodik berechnet. Bei der Ermittlung wird der Verwendung von aktuellen, realen Transaktionen Vorrang eingeräumt.
Der LIBOR („London Interbank Offered Rate“) bezeichnet den Durchschnittszinssatz, zu dem sich ausgewählte internationale Banken gegenseitig Geld in verschiedenen Währungen und über unterschiedliche Laufzeiten ausleihen.
Der LIBOR wird für 5 Währungen (GBP, USD, CHF, EUR und JPY) und sieben Laufzeiten (Overnight/Spot Next, 1 Woche, 1, 2, 3, 6 und 12 Monate) täglich aus den Meldungen der teilnehmenden Banken durch die ICE Benchmark Administration ermittelt.
Die für den LIBOR zuständige britische Regulierungsbehörde Financial Conduct Auhtority (FCA) verkündete am 5. März 2021 formell, dass eine Veröffentlichung des CHF-, EUR-, JPY- und GBP-LIBOR per 31. Dezember 2021 eingestellt wird.
Die Laufzeiten des USD-LIBOR von 1 Woche und 2 Monaten werden ebenso zum 31. Dezember 2021, die übrigen zum 30. Juni 2023 eingestellt.
Die risikofreien Zinssätze (RFR) sind Tagesgeldsätze der jeweiligen Währungen. RFR unterscheiden sich grundlegend von IBOR. Sie haben nur eine Laufzeit von einem Tag. Ihre Berechnung basiert auf realen Transaktionen.
Im Euro-Raum ist der EONIA (Euro Overnight Index Average) bis Ende des Jahres 2021 der am weitesten verbreitete risikolose Übernachtreferenzzinssatz. Der europäische Markt hat für die Entwicklung eines neuen RFR im Euro-Raum eigens die „Working Group on EURO Risk-Free Rates“ gebildet. Diese Arbeitsgruppe hat im Herbst 2018 den €STR (Euro Short-Term Rate) als neuen Tagesgeldsatz für den Euro-Raum vorgeschlagen.
Der €STR wird seit dem 2. Oktober 2019 täglich durch die Europäische Zentralbank (EZB) publiziert. Seither arbeitet die Arbeitsgruppe weiter daran, die Nutzung von risikofreien Zinssätzen bei unterschiedlichen Produkten zu unterstützen. So wurde die Ermittlung des EONIA im Oktober 2019 umgestellt und basiert seither auf dem €STR. Der EONIA wurde bis zum 3. Januar 2022 publiziert.
Vergleichbare Arbeitsgruppen existieren in einer Vielzahl von Ländern und haben das Ziel, eine Transition von den bisherigen Benchmarks hin zu den RFR zu vollziehen. Neben dem €STR (EU) als RFR für den Euro-Raum wurden der SOFR (US), der SARON (CH), der reformierte SONIA (UK) sowie der TONA (JPN) als neue RFR für die entsprechenden nationalen Währungen festgelegt.
RFR weisen stets die Laufzeit von nur einem Tag auf. Um wie bei IBOR verschiedene Laufzeiten abbilden zu können, werden Periodenzinsen für eine gewählte Zinsperiode aus den täglichen RFR berechnet.
Ein 3-Monats-Compounded-€STR bestimmt beispielsweise den durchschnittlichen vergangenheitsbezogenen €STR-Zinssatz mit Aufzinsung für eine Periode von drei Monaten – basierend auf den historischen, täglichen €STR-Raten.
Bei der Ermittlung der Periodenzinsen werden verschiedene Varianten unterschieden.
Da sich der Periodenzins aus den einzelnen RFR einer Periode ermittelt, steht dieser erst am Ende dieser Periode fest. Für die Anwendung in Kundenprodukten haben sich folgende zwei Varianten am Markt etabliert:
Feststellung am Anfang der Periode („in-advance“) Insbesondere Privatkundinnen und -kunden sollen − wie bisher mit den bekannten IBOR-Sätzen − bereits am Anfang der Zinsperiode mitgeteilt bekommen, wie hoch Periodenzins und der zu zahlende Betrag für die kommende Periode sind. In diesem Fall werden für die Ermittlung die RFR aus der vorherigen Periode genutzt. Der Periodenzins ist um eine Periode „verschoben“.
Feststellung am Ende der Periode („in-arrears“) Der Periodenzins wird aus den RFR der betroffenen Periode ermittelt. Damit sind Zinssatz und Zinsbetrag erst zum Periodenende bekannt (z. B. fünf Tage vorher). Diese Variante steht zur Nutzung für professionelle Kundinnen und Kunden bereit.
Der Referenzzinssatz SARON (Swiss Average Rate Overnight) stellt den Tagesgeldsatz des Geldmarktes für Schweizer Franken (CHF) dar. Er basiert auf Transaktionen und Preisstellungen, die im Schweizer Markt gebucht werden. Die SIX ist der Benchmark-Administrator von SARON. Sie ist verantwortlich für die Berechnung und die Publikation. Der SARON wird mit der Ablösung von CHF-LIBOR am 31. Dezember 2021 als Referenz verwendet. Die wichtigsten Besonderheiten und Merkmale des SARON und dessen Verwendung:
Zusätzlich bietet die SIX auf ihrer Website einen „RFR-Rechner“ für SARON an. Der Rechner liefert den berechneten Zinssatz für Compounded SARON zwischen zwei Stichtagen.
Der SONIA (Sterling Overnight Index Average) deckt Übernachteinlagengeschäfte ab. Er basiert auf tatsächlichen Transaktionen und spiegelt den Durchschnitt der Zinssätze wider, die Banken zahlen, um über Nacht Pfund Sterling von anderen Finanzinstituten und anderen institutionellen Anlegern zu „leihen“. Der SONIA wird mit der Ablösung von GBP-LIBOR am 31. Dezember 2021 als Referenz für Berechnungen verwendet.
Die wichtigsten Besonderheiten und Merkmale des SONIA und dessen Verwendung:
- ohne/mit Zinsuntergrenze
- mit verschiedenen Methoden zur Zinsanpassung
Der SOFR (Secured Overnight Financing Rate) ist ein Tagesgeldsatz und dient als Referenzzinssatz für die Währung US-Dollar. Er wird von der Federal Reserve Bank of New York (FRBNY) in Zusammenarbeit mit dem Office of Financial Research veröffentlicht. Er basiert auf besicherten Transaktionen des US-Dollar Repo-Marktes. Der SOFR wird bei der Ablösung von USD-LIBOR am 30. Juni 2023 als Referenz verwendet.
Die wichtigsten Besonderheiten und Merkmale des SOFR und dessen Verwendung:
Die Bank of Japan sowie die ihrerseits gegründete Study Group on Risk-Free Reference Rates (JPN RFR-WG) bestimmten den unbesicherten Übernachtzinssatz Tokyo Overnight Average Rate (TONA) als Nachfolgereferenzzins für den JPY LIBOR. Parallel wird der TIBOR weiterhin veröffentlicht.
Anbei die wichtigsten Besonderheiten und Merkmale des TONA und dessen Verwendung:
Ratensparverträge werden mit einem variablen Zins (und zusätzlicher laufzeitabhängiger Prämie) abgeschlossen. Das bedeutet: Der Zinssatz kann während der Laufzeit steigen oder fallen. Maßgeblich hierfür ist der verwendete Referenzzins. Ändert sich dieser, passt die Sparkasse die Zinssätze bei diesen Ratensparverträgen an.
Um einen Referenzzins bei Ratensparverträgen mit variablem Zins zu berechnen, braucht man bei der Verwendung der sogenannten „absoluten Anpassung“ in der Regel die folgenden Grundlagen (siehe auch FAQ „Verzinsung bei Ratensparverträgen“):
Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht verschiedene Durchschnittszinssätze. Für die Berechnung des Referenzzinssatzes werden häufig Geldmarktzinsen (zum Beispiel EURIBOR) und Kapitalmarktrenditen (für Bundeswertpapiere oder für Pfandbriefe) verwendet. Siehe folgende Quellen:
Der gleitende 3-Monatszins wird dabei als Mittelwert aus drei Basiswerten (aktueller Basiswert zuzüglich denen der beiden Vormonate) gebildet. Die Bundesbank addiert zum Beispiel die Basiswerte der Monate Oktober, November und Dezember und teilt die Summe dann durch 3. Ermittelt wird so der gleitende Durchschnitt des 3-Monats-Wertes im Dezember.
Ein gleitender 2-Jahreszins ist wiederum der Mittelwert aus 24 Basiswerten (aktueller Basiswert zuzüglich denen der 23 Vormonate).
Für die Ermittlung des Referenzzinssatzes ist die prozentuale Gewichtung der einzelnen gleitenden Durchschnittszinssätze notwendig. Jede Sparkasse kann diese Gewichtung individuell festlegen. Beispielsweise kann für den verwendeten Referenzzins der gleitende 3-Monats-EURIBOR eine Gewichtung von 30 Prozent und der gleitende 10-Jahres-Durchschnittszinssatz eine von 70 Prozent aufweisen. Die gewichteten Zinsen werden dann addiert.
Zur Verdeutlichung ein vereinfachtes Beispiel:
Die Bundesbank gibt beispielsweise einen gleitenden 3-Monats-Durchschnittszinssatz von +0,330 und einen gleitenden 10-Jahres-Durchschnittssatz von +1,860 an.
+0,330 gewichtet mit 30 Prozent: +0,330 * 30% = +0,099
+1,860 gewichtet mit 70 Prozent: +1,860 * 70% = +1,302
Referenzzins: 0,099 + 1,302 = +1,401
Bei diesem speziellen Kreditgeschäft richtet sich die Verzinsung einer Zinsperiode stets nach der absoluten Höhe des Referenzzinssatzes. Kundinnen und Kunden haben ein Wahlrecht hinsichtlich der Zinsperiode, die beispielsweise 1, 3 oder 6 Monate beträgt. Dem folgend wird der Zinssatz entsprechend der Wahl des Turnus während der gesamten Vertragslaufzeit angepasst.
Läuft die Festzinsvereinbarung bei einer Baufinanzierung nach z. B. 10 oder 15 Jahren aus, ohne dass sich die Kundin oder der Kunde mit der Sparkasse auf eine neue Festzinsbindung verständigt hat, wird das Darlehen variabel verzinst. Die variable Verzinsung orientiert sich ebenfalls an einem Referenzzins.
Zur Ermittlung des Periodenzinses wird täglich mit dem neuen RFR aufgezinst. Der Periodenzins ist der Zins, der sich aus der Aufzinsung über die gesamte Periode ergibt.
Die Methode für die Aufzinsung folgt einer etablierten Standardformel.
In manchen Währungen (nicht EUR) hat sich eine vereinfachte Variante als Alternative zur Aufzinsung etabliert. Hier wird der Periodenzins als Durchschnitt der RFR − dem arithmetischen Mittel − dieser Periode berechnet.
Im Hinblick auf RFR-basierte vorausschauende Referenzzinsen befinden sich die internationalen Märkte zum aktuellen Zeitpunkt noch in einer Entwicklungsphase. Deren Einsatz sollte vor allem bei Handelsfinanzierungen oder Verbriefungen großen Nutzen stiften.
Neben der oben beschriebenen Standard-Vorgehensweise der „absoluten Anpassung“ für jüngere Verträge gilt für bestimmte „Alt-Prämiensparverträge“ eine vom BGH entschiedene „relative Anpassung infolge ergänzender Vertragsauslegung“. Sämtliche Details dieser ergänzenden Vertragsauslegung sind noch nicht höchstrichterlich gesichert. Der BGH hat jüngst mit Urteilen vom 9. Juli 2024 (XI ZR 40/23; XI ZR 44/23) entschieden, dass für bestimmte Vertragsverhältnisse der Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank mit dem Schlüssel BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z. A (= Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Börsennotierte Bundeswertpapiere / RLZ von über 8 bis 15 Jahren / Monatswerte = WU 9554 nach altem Schlüssel) zur ergänzenden Vertragsauslegung geeignet sein kann. Jedoch könnten auch andere Referenzzinssätze revisionsrechtlichen Anforderungen genügen.