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Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten zur Zinswende

Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
Nach 11 Jahren historisch niedriger Zinsen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik geändert und den Leitzins angehoben – auf insgesamt 3,75 Prozent. Viele Menschen sind verunsichert, welche Folgen das für ihren Alltag hat. Wir erklären die aktuelle Situation.

Das Wichtigste in Kürze

Anhebung des Leitzinses soll die Inflation eindämmen

Nach mehr als 10 Prozent im Oktober 2022 ist die Inflationsrate in Deutschland in den vergangenen Monaten wieder gesunken. Sie bewegt sich mit derzeit 7,2 Prozent aber noch immer weit oberhalb der von der EZB angestrebten 2,0 Prozent. In den anderen Ländern des Euroraums sieht es ähnlich aus. Daher hat die Zentralbank den Leitzins auf 3,75 Prozent erhöht, um die hohe Inflation weiter einzudämmen. Denn mit der Änderung des Leitzinses beeinflusst sie über die Geschäftsbanken die gesamte Wirtschaft und Finanzwirtschaft: Die Anhebung verteuert für Geschäftsbanken die Geldausleihe und führt so zu einer Verknappung der Geldmenge. Diese Kostenerhöhung geben die Banken und Sparkassen an die privaten Haushalte und die Unternehmen weiter. Dadurch werden die Kredite auch für sie teurer und der Anreiz lässt nach, Kredite aufzunehmen. So sinkt die Investitionsrate. Aber zugleich steigt die Sparrate, da Geldanlagen wieder höher verzinst werden.

Irrtümer zur Zinswende: Vorsicht vor Lockangeboten

Während der Niedrigzins-Phase haben Banken und Sparkassen langfristig Kredite mit sehr niedrigen Zinsen ausgegeben. Daher können die Einlagenzinsen nicht so schnell steigen wie der Leitzins. Aus diesem Grund betragen die langfristigen Zinsen für Tagesgeld derzeit durchschnittlich meist 0,2 bis 0,9 Prozent. Es gibt zwar bereits höhere Angebote von mehr als 2,0 Prozent. Doch dabei handelt es sich oftmals um kurzfristig angelegte Lockangebote, meist begrenzt auf sechs Monate. Sie sind zudem häufig mit speziellen Konditionen verbunden, die weitere Kosten mit sich bringen. Aufgrund der hohen Inflationsrate ist es für Anlegerinnen und Anleger aber vor allem entscheidend, die sogenannten Realzinsen zu betrachten. Dabei handelt es sich um den tatsächlichen Wertzuwachs einer Geldanlage nach Abzug der Inflationsrate. Dieser Realzins ist derzeit so negativ, dass sich eher ein langfristig angelegtes Wertpapiersparen lohnt. Dafür empfehlen sich vor allem Aktien, Aktienfonds und ETFs (Exchange Traded Funds; auf Deutsch: Börsennotierte Indexfonds), da Beobachter in den kommenden Monaten mit weiteren Zuwächsen an den Aktienmärkten rechnen. Diese Anlageformen, gekoppelt mit einem Tagesgeldkonto oder einer kurzfristig verfügbaren Spareinlage, können einen sinnvollen Anlagemix ergeben. Kredite sind im Laufe des vergangenen Jahres deutlich teurer geworden. Das gilt vor allem für Immobilienkredite. Da die EZB den Leitzins weiter anheben will, ist kurz- bis mittelfristig nicht damit zu rechnen, dass die Kredite wieder günstiger werden. Das gilt für Immobiliendarlehen ebenso wie für Dispositions- und Konsumentenkredite.

Kann die Zinswende die Rekordinflation bremsen?

Die Leitzinsen sind das klassische Instrument, mit dem Zentralbanken auf die Inflation einwirken können. Mit steigenden Zinsen wird Sparen attraktiver, Kreditfinanzierungen teurer. Das bremst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit üblicherweise auch den Preisanstieg.

Zudem hat das Vorgehen der EZB einen psychologischen Hintergrund: Wer als Unternehmer mit steigenden Preisen zum Beispiel für Vorprodukte rechnet, wird selbst vorsorglich Aufschläge auf die eigenen Preise einkalkulieren. Wer als Verbraucher mit steigenden Lebenshaltungskosten rechnen muss, wird von seinem Arbeitgeber mehr Lohn fordern. Die Preisanstiege würden sich so immer weiter selbst verstärken. Diese Spirale will die EZB durchbrechen mit ihrem Signal, dass sie den Kampf gegen die Inflation aufnimmt.

Allerdings wirken die Maßnahmen der Notenbank nicht sofort, sondern eher mittel- bis langfristig. Außerdem dürften die Zentralbankzinsen nur langsam steigen und damit vorläufig unter der Inflationsrate bleiben. Damit wird die Inflation noch eine Weile hoch bleiben – wenn auch nicht mehr auf dem aktuellen Niveau von über sieben Prozent.

Welche Auswirkungen hat das Ende des Anleihekauf-Programmes?

Seit der Schulden- und Eurokrise hat die Europäische Zentralbank im großen Stil Staatsanleihen und andere festverzinsliche Papiere auf den Finanzmärkten aufgekauft. Dazu gehören öffentliche Anleihen, aber auch Papiere von Unternehmen. Damit hat sie seit 2015 riesige Summen an Geld in das Finanzsystem gepumpt, um es liquide zu halten und das Zinsniveau zu drücken.

Mit der neuen Geldpolitik wird die Notenbank ihr Anleihekaufprogramm auslaufen lassen. Sie hat zwar die monatlichen Zukäufe bereits seit längerem deutlich reduziert – zuletzt auf 20 Milliarden Euro. Doch insgesamt hat sie über die Jahre Anleihen im Wert von mehr als 3,4 Billionen Euro aufgekauft. Hinzu kommen rund 1,7 Billionen Euro für das Corona-Notprogramm.

Mehr als 5,1 Billionen Euro hat die EZB also in Anleihen investiert. Mit dieser Summe ist es ihr zumindest teilweise gelungen, die Euro-Krise zu entschärfen, den Zusammenbruch der Währungsunion zu vermeiden und die schlimmsten wirtschaftlichen Verwerfungen von Finanz-, Schulden- und Corona-Krise abzumildern.

Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten

Der Leitzins ist der Preis der Kreditzinsen. Er ist das wichtigste Instrument der EZB und anderer Notenbanken, um die Geldmenge und damit (indirekt) die Höhe der Verbraucherpreise zu steuern. Wenn von dem Leitzins gesprochen wird, handelt es sich genau genommen um drei verschiedene Leitzinssätze:

  • den Hauptrefinanzierungssatz (der eigentliche Leitzins),
  • den Spitzenrefinanzierungssatz und
  • den Einlagesatz

Indem die EZB durch die Zinserhöhung die Geldmenge reduziert, die im Umlauf ist, gewinnt jeder einzelne Euro an Wert. Daher lohnt es sich eher zu sparen, die Verbraucher und Verbraucherinnen geben weniger Geld aus. Dadurch sinkt die Nachfrage und damit sinken auch die Verbraucherpreise.

Üblicherweise steigen die Preise schnell, wenn die Wirtschaft boomt und viel gekauft wird, also die Nachfrage hoch ist. Dann erhöhen Notenbanken die Zinsen, um die Nachfrage und damit den Anstieg der Preise abzubremsen. So nimmt die Inflation ab und die Zinsen können wieder gesenkt werden.

Mit der aktuellen Entscheidung wird die Wirtschaft in den kommenden Monaten weniger Geld von der Zentralbank erhalten. Denn auch die Darlehen der Geschäftsbanken und Sparkassen an die Unternehmen werden teurer. Die erhoffte Wirkung dieser Einschränkung: Unternehmensinvestitionen werden kostspieliger – und es wird verhindert, dass die Wirtschaft überhitzt. Die Inflation sinkt, weil die Nachfrage nach Gütern ebenfalls sinkt.

Der Hauptrefinanzierungssatz, der wichtigste EZB-Leitzins, liegt derzeit bei 3,75 Prozent. Finanzmarktexpertinnen und -experten erwarten den Zinsgipfel im Laufe des Jahres bei rund vier Prozent. Für die USA gehen sie davon aus, dass es ebenfalls noch weitere Zinsschritte bis auf etwas mehr als fünf Prozent geben soll.

Die EZB hat für den 15. Juni 2023 eine weitere zinsrelevante Sitzung angekündigt.  Eine weitere Zinsanhebung wurde in Aussicht gestellt.

Eine Prognose ist immer schwierig, da es zu viele Einflussfaktoren gibt, die den Leitzins beeinflussen. Erfahrungswerte der vergangenen 20 Jahre lassen einen Leitzins zwischen 1,0 und 3,0 Prozent in den kommenden Jahren vermuten.

Durch den steigenden Leitzins haben die Sparerinnen und Sparer bei weiter zunehmenden Sparzinsen die Chance, dass ihr Geld mehr Rendite erwirtschaftet. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Inflationsrate zügig auf die von der EZB angestrebten 2,0 Prozent absinkt.

Wenn die Zinsen zulegen, wird es für Unternehmen teurer, Kredite in Anspruch zu nehmen und die Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen weniger auf Kredit. Das kann die Gewinne der Unternehmen drücken und damit wiederum ihren Aktienkurs belasten. Außerdem ziehen die Anlegerinnen und Anleger vor allem in Deutschland schwankungsärmere Geldanlagen vor, wenn sie attraktivere Zinsen abwerfen. Damit investieren sie dann weniger Geld in Aktien.

Mit der Zinswende werden die Darlehen der Banken und Sparkassen an Unternehmen und Privathaushalte teurer. Unternehmensinvestitionen sowie Konsum werden teurer und verringern das Wirtschaftswachstum, der Preisanstieg nimmt ab. So soll die Inflationsrate sinken. Das Vorgehen der EZB und der anderen Notenbanken hat auch einen psychologischen Aspekt: Wenn Menschen und Wirtschaft sehen, dass die Notenbanken die Inflation bekämpfen, entzieht auch das den Preissteigerungen einen Teil ihrer Grundlage. Aber die Anhebung der Leitzinsen wirkt sich nicht sofort aus. Die Zentralbankzinsen bleiben vorläufig noch unter der Inflationsrate. Damit wird sie nur langsam abnehmen.

Stand: 12.05.2023

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