Wärme-Contracting treibt Heizkosten in die Höhe – oft bewegt sich das in rechtlichen Grauzonen.
Viele Mieterinnen und Mieter zahlen zu viel und wehren sich zunehmend.
Prüfen Sie Ihre Heizkostenabrechnung genau und suchen Sie sich bei Unsicherheit Hilfe bei den zuständigen Stellen.
Wärme-Contracting: Kostenfalle für Mieterinnen und Mieter
Immer mehr Mieterinnen und Mieter sehen sich mit drastischen Heizkostennachzahlungen konfrontiert, die weit über die gestiegenen Energiekosten hinausgehen. Ein zentraler Treiber dieser Belastung ist das sogenannte Wärme-Contracting. Hierbei übernehmen dazwischengeschaltete externe Dienstleister die Wärmeversorgung. In einigen Fällen stiegen dadurch die Heizkosten-Abrechnungen bis zu 250 Prozent .
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mehr mussten Bewohnerinnen und Bewohner von Mehrfamilienhäusern 2023 aufgrund gestiegener Energiekosten im Schnitt fürs Heizen ausgeben.
Das Prinzip und die Fallstricke des Wärme-Contractings
Das Prinzip des Wärme-Contractings gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. Der Vermieter oder die Vermieterin übertragen die Aufgaben der Heizversorgung wie Betrieb, Wartung oder Reparaturen an einen darauf spezialisierten Dienstleister, den sogenannten Contractor. So sparen sie Aufwand und Kosten. Dieser kümmert sich um alles rund um die Heizungsanlage. Die Rechnungen des Contractors gehen direkt und zu 100 Prozent an die Mieter und Mieterinnen.
Nicht selten kommt es vor, dass Mietparteien automatisch für meist teurere Fernwärme zahlen, selbst wenn im Keller eine alte Gasheizung steht. Denn beim Wärme-Contracting greift die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV). Diese Verordnung regelt, dass Mieterinnen und Mieter bei Fernwärme keine Wahlfreiheit beim Anbieter haben. Einige Firmen nutzen dies aus, um Preise gezielt in die Höhe zu treiben.
Heizkosten werden durch rechtliche Schlupflöcher gezielt nach oben getrieben
Einige Contracting-Unternehmen, manchmal in Kooperation mit Vermietenden, nutzen die rechtlichen Graubereiche in der AVBFernwärmeV: Sie rechnen Heizkosten teils falsch ab und manipulieren sogar Heizungsanlagen. Das ergaben die Ergebnisse einer Untersuchung des Recherchenetzwerkes Correctiv.
Für die Analyse hat Correctiv mehrere Wärmelieferverträge und Abrechnungen aus Berlin, Magdeburg, Stuttgart, Bottrop, Göttingen und Hamburg durch Expertinnen und Experten auswerten lassen. Demnach sind in allen untersuchten Fällen die ausgewerteten Preisformeln, die die Contracting-Anbieter zur Berechnung ihrer Heizpreise heranziehen, entweder „sachlich falsch“, „unwirksam“ oder mindestens umstritten.
Wie genau sich die Preise bei der Wärmelieferung zusammensetzen, ist komplex und rechtlich nicht eindeutig geregelt. Um mehr Profit zu machen, halten laut Correctiv einige Contracting-Firmen rechtliche Vorgaben nicht ein oder reizen diese maximal aus. Das alles geht finanziell zulasten der Mietparteien: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass es um systematische Ausnutzung und Abzocke geht“, sagt Caren Lay, Sprecherin der Linken im Bundestag für Mieten-Bau und Wohnungspolitik zu Correctiv.
Fallbeispiel: Tausende Euro Nachzahlung für die Heizung
Besonders drastische Fälle hoher Heizkostennachzahlungen gab es in Berlin mit bis zu 9.000 Euro, in Magdeburg mit 5.000 Euro und in Göttingen mit fast 2.500 Euro.
Eine Mieterin aus der Hauptstadt, die in einer 60 Quadratmeter großen Wohnung lebt, bekam kurz vor Weihnachten 2023 eine Heizkostennachzahlung über 6.500 Euro. Vermieter ist die Berliner Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen, die seit 2021 zur Vonovia, einer führenden europäischen Wohnungsunternehmen mit Hauptsitz in Bochum, gehört. Ähnlich hohe Rechnungen seien laut Correctiv an den ganzen Wohnblock mit 1.500 Wohnungen gegangen. Einige Nachbarinnen und Nachbarn sollen im Extremfall bis zu 9.000 Euro zahlen. 650 betroffene Mietparteien hätten sich daraufhin zusammengetan, um dagegen vorzugehen.
Hundertausende Mieterinnen und Mieter betroffen
Energie-Contracting ist gerade bei großen Wohnungsgesellschaften oder kommunalen Wohnungsunternehmen beliebt. Correctiv nennt neben Vonovia unter anderem Gesobau, Howoge oder LEG. Rund 4 Millionen Wohnungen in Deutschland würden über Contracting-Verträge versorgt, heißt es in der Untersuchung unter Berufung auf Branchenzahlen. Mieterinnen und Mieter profitieren angesichts der Rechercheergebnisse eher weniger davon: „In der Rechtsberatung sehen wir seit einigen Jahren derart hohe Preise, insbesondere beim Contracting, wo schätzungsweise ein Euro pro Quadratmeter mehr anfällt als bei anderen Wärmeversorgungsarten“, sagt die Sprecherin des Berliner Mietervereins Franziska Schulte laut Correctiv.
Hunderttausende Menschen könnten von hohen Nachzahlungen aufgrund von Wärme-Contracting betroffen sein, schätzt wiederum der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Es trifft darüber hinaus häufig Menschen, die sich keine hohen Mieten und schon gar keine drei- bis vierstelligen Nachzahlungen leisten können. Viele Betroffene haben Angst, ihre Wohnung zu verlieren. Andere fürchten um ihre Existenz, wie die Ergebnisse zeigen.
10 Tipps: So können Sie Heizkosten sparen
Da Heizen generell auch im nahenden Winter ein teures Unterfangen bleibt, lohnt es sich, die eigenen Heizkosten durch Eigeninitiative niedrig zu halten. Mit unseren Tipps gelingt es Ihnen, Geld zu sparen.
So finden Sie heraus, ob Sie auch in der Heizungsfalle sitzen
Fordert Ihr Vermieter oder Ihre Vermieterin ungewöhnlich hohe Nachzahlungen für das Heizen Ihrer Wohnung? Wird Ihnen in der Heizkostenabrechnung (HKA) Fernwärme berechnet, obwohl Sie mit Gas oder Öl heizen? Dann sollten Sie den Wärmeliefervertrag verlangen. Diesen lassen Sie dann bei Ihrem Mieterverein vor Ort oder einer Verbraucherzentrale prüfen. Alternativ können Sie auch die HKA dort einreichen.
Unzureichende Kommunikation, falsche Preisklauseln oder Verteilungsschlüssel können auch bei anderen Posten als den Heizkosten dazu führen, dass Sie als Mieterin oder Mieter zu viel zahlen sollen. Etwa die Hälfte der Betriebskostenabrechnungen sind regelmäßig fehlerhaft. Vermuten Sie Fehler bei Ihrer Nebenkostenabrechnung, prüfen Sie diese gewissenhaft. Alles Wichtige zum Thema Nebenkostenabrechnung prüfen, worauf Sie dabei achten müssen und was für 2024 neu ist, haben wir für Sie in einem Schwerpunktbeitrag zusammengestellt .
Checkliste: Wie sich Betroffene gegen Wärme-Contracting mit überhöhten Preisen wehren können
Im Folgenden finden Sie wichtige Informationen und Anlaufstellen, falls Sie betroffen sein sollten:
- Rechtliches kennen: Gehen Vermieter oder Vermieterinnen einen Wärmeliefervertrag mit einer Contracting-Firma ein, müssen sie die Mietpartei gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) darüber informieren: "Der Vermieter hat die Umstellung spätestens drei Monate zuvor in Textform anzukündigen", heißt es im BGB dazu. Paragraf 556c des BGB regelt, welche Kosten Mietparteien für Wärmelieferungen zu tragen haben.
- Unklarheiten prüfen lassen: Lassen Sie den Wärmeliefervertrag und/ oder Abrechnungen auf etwaige Fehler prüfen – das ist der erste Schritt, um sich zu wehren (zum Beispiel vom örtlichen Mieterverein oder einer Verbraucherzentrale). Ob hohe Nachzahlungen rechtens seien, "kann von den Betroffenen zivilrechtlich beziehungsweise über die Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt geprüft werden", berichtet die ARD .
- Widerspruch einlegen: Bei berechtigtem Verdacht auf Unstimmigkeiten in der Heizkostenabrechnung können Mieterinnen und Mieter beim Vermieter oder der Vermieterin begründeten Widerspruch einlegen. Achten Sie darauf, die Widerspruchsfrist einzuhalten (in der Regel 12 Monate).
- Halten Sie Zahlungsfristen ein: Auch wenn Sie Widerspruch einlegen möchten, müssen Sie die Zahlungsfrist der Abrechnung einhalten. Sie können versuchen, die Fristen bei Ihrem Energieversorger oder Ihrer Vermieterin oder Ihrem Vermieter zu verlängern. Können Sie die Rechnung dennoch nicht begleichen, suchen Sie sich zur Not staatliche Unterstützung, um die Rechnung fristgerecht zu bezahlen. Denn auch Menschen mit regelmäßigem Einkommen können Anspruch auf Sozialleistungen bei hohen Heizkosten haben. Die Verbraucherzentrale erklärt Ihnen, worauf Sie achten sollten.
- Sammelklagen und Bürgerinitiativen beitreten, falls möglich: Tun Sie sich mit betroffenen Nachbarinnen und Nachbarn zusammen, um Kosten zu sparen. Vielleicht gibt es auch schon eine passende Gruppe , der Sie sich anschließen können.
- Hilfreiche Anlaufstellen bei Streitigkeiten: Der Deutsche Mieterbund, der örtliche Mieterverein oder die Verbraucherzentralen beraten Sie zum Thema Heizkostenabrechnung.
Die Ergebnisse der Recherche zeigen, dass es systematische Missstände in der Gestaltung und Umsetzung von Wärmelieferverträgen gibt. Wenn Ihre Heizkostenabrechnung ungewöhnlich hoch ist, sind Sie nicht allein. Denn dieses Vorgehen von Wohnungsgesellschaften und Wärmelieferanten ist keine Ausnahme. Wenn Sie betroffen sind, sollten Sie alle Möglichkeiten nutzen, sich dagegen zu wehren, und sich von den zuständigen Stellen unterstützen lassen. Die ganze Untersuchung und weitere Fallbeispiele finden Sie hier.
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Stand 21.11.2024