Bronzefiguren der Skulptur „Bulle und Bär“ auf dem Börsenplatz an der Wertpapierbörse Frankfurt am Main

Warum Unternehmen an die Börse gehen

Douglas und Co.
Douglas wird zum Aktienunternehmen. Ein weiteres von etwa 450 deutschen Unternehmen, das börsennotiert ist. Warum entscheiden sich manche Firmen dafür? Was sind die Vor- und Nachteile? Und wie groß ist der Geldstapel, der dabei eingespielt wird?
Das Wichtigste in Kürze:

Douglas, Renk, Shein

Dieses Jahr scheint ein aktiveres an den Börsen zu werden. Man kann von einem kleinen Boom sprechen. Nachdem in den vergangenen Jahren die Zahl der Unternehmen, die über Aktien Kapital einwerben, stark zurückgegangen ist, gibt es nun einige IPOs (Initial Public Offering – Börsengang):

Ob es sich lohnt, in diese Aktien zu investieren, werden wir hier nicht beantworten. Aber dafür auf eine andere Frage eingehen: Warum gehen Unternehmen überhaupt an die Börse?

Ein kurzer historischer Einblick

Stellen Sie sich das Jahr 1602 vor. Während die meisten von uns an das Zeitalter der Entdecker denken, passierte in den windigen Straßen von Amsterdam etwas Revolutionäres. Die Niederländische Ostindien-Kompanie, die mit exotischen Waren aus Asien handelte, hatte eine Idee, die die Wirtschaft für immer verändern sollte: Sie beschloss, Anteile ihres Unternehmens an die Öffentlichkeit zu verkaufen, und schuf so die erste Aktie und den ersten Börsengang der Welt. Dies war der Startschuss für das, was wir heute als Aktienmärkte kennen.

Seitdem sind die Börsen ein Spiegelbild unserer sich wandelnden Welt. Die Börse als Barometer, dass die gesellschaftliche Stimmung misst, oft in übersteigerter Form. In den 1840er Jahren brach beispielsweise der große Eisenbahnaktien-Boom aus. Ein Hype, der in großer Ernüchterung endet. Zu Zeiten der deutschen Hyperinflation 1923 galten Aktien als einzige Chance, Vermögenswerte zu wahren. Wenige Jahre später folgte die Große Depression, eingeleitet und teilweise verstärkt vom Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929, als der US-Aktienmarkt zusammenbrach.

Größter Börsengang aller Zeiten

Doch auch einzelne Unternehmen vermochten immer wieder besondere Aufmerksamkeit mit ihren Börsengängen auf sich zu ziehen. Nehmen wir zum Beispiel Alibaba. Im Jahr 2014 schlug dieses chinesische E-Commerce-Unternehmen alle Rekorde und sammelte beim bis dato größten Börsengang beeindruckende 22 Milliarden US-Dollar ein. Das toppte der saudi-arabische Gas- und Ölkonzern Aramco 2019 mit 26 Milliarden US-Dollar.

Oder denken Sie an Facebook im Jahr 2012: Mit einem Medienrummel, der selbst die meisten Hollywood-Premieren in den Schatten stellte, trat das Social-Media-Phänomen auf das Parkett und sammelte 16 Milliarden US-Dollar ein. Obwohl der Kurs anfangs deutlich bergab ging, hat das Unternehmen, das mittlerweile Meta heißt, seither seinen Wert verzehnfacht.

T-Aktie

Und dann war da noch die Deutsche Telekom im Jahr 1996. Der Börsengang war bemerkenswert wegen der großen öffentlichen Kampagne mit bekannten Stars wie Manfred Krug, die mit „T-Aktien“ und dem Versprechen von Volksaktien warben. Viele Menschen in Deutschland investierten dadurch erstmals in Aktien – und mussten nach einer beachtlichen Rallye einen Rückgang um 90 Prozent verkraften.

Tipp: In nur eine Aktie zu investieren gilt seit jeher als unnötig riskant. Kann gut gehen, muss aber nicht. Bedenken Sie immer auch den Hype- und Marketing-Faktor. Streuen Sie besser Ihr Risiko beispielsweise mit Fonds oder ETFs, also börsengehandelten Indexfonds.

Wie Unternehmen an Kapital kommen

Bleibt aber die grundlegende Frage, was Unternehmen an der Börse machen. Sie beschaffen sich dort Kapital. Um zu investieren oder Kosten zu decken, die über ihre Einnahmen hinausgehen, brauchen sie Geld. Dazu haben sie verschiedene Möglichkeiten:

  1. Sie können einen Kredit bei einer Bank aufnehmen, müssen dann darauf allerdings Zinsen zahlen. Und wenn sie der Zinszahlung nicht nachkommen, bekommt die Bank in der Regel Zugriff auf die Vermögenswerte des Unternehmens.
  2. Alternativ können Unternehmen Anleihen ausgeben. Das ist ein bisschen als würden sie Kredite von vielen Investoren bekommen. Dafür zahlen Sie mit Kupons, die man mit einer Zinszahlung vergleichen kann. Am Ende des vereinbarten Zeitraums zahlen Sie den geliehenen Betrag zurück.
  3. Als dritte Möglichkeit können sie ihre Unternehmensanteile veräußern. Das kann gebündelt und vertraglich vereinbart mit einer Investorin oder einem anderen Unternehmen passieren. Oder über einen Börsengang, bei dem sich alle Interessierten Aktien sichern können.

In der Praxis greifen Unternehmen auf mehrere oder alle genannten Formen zur Finanzierung zurück.

Viel Kapital auf einmal

Der große Vorteil eines Börsengangs: Gegenüber ihren Aktionären haben Unternehmen keine Zahlungsverpflichtungen. Sie können eine Dividende zahlen, also einen Betrag vom Gewinn (manchmal sogar trotz Verlusts) pro Aktie an die Aktionäre weitergeben – aber das müssen sie nicht. Früher oder später erwarten Aktionäre allerdings, dass das Unternehmen seine Gewinne teilt. Maßgeblich für die Aktionäre ist jedoch der Marktwert der Aktie, der vom Kursgewinn abhängt. Tatsächlich zahlen manche Unternehmen nie eine Dividende, weil sie ihre Gewinne reinvestieren.

Entscheidend für das Unternehmen ist, zu welchem Preis es seine Aktien erstmalig verkauft. Das ist letztlich die Summe, die es einnimmt. Investoren und Investorinnen und auch Mitarbeitende, die Unternehmensanteile in den Jahren erworben haben, wissen nun ebenfalls, was diese wert sind. Solange sie ihre Aktien halten, ist für sie wichtig, wie sich der Kurs weiter an der Börse entwickelt. Für das Unternehmen selbst spielt die weitere Kursentwicklung nur bedingt eine Rolle. Unter anderem könnte es gegen seinen Willen übernommen werden, wenn ein anderes Unternehmen eine Mehrheit der an der Börse gehandelten Aktien aufkauft. Je niedriger der Aktienkurs, desto billiger der Übernahmeversuch. Abgesehen davon könnte das Unternehmen eines Tages weitere Aktien verkaufen, um nochmals Kapital einzunehmen. Wie viel dann dabei herausspringt, hängt vom Kurs der alten Aktien ab.

Arten des Börsengangs

Zudem ist Börsengang nicht gleich Börsengang. Diese verschiedenen Formen gibt es:

  1. Traditioneller Börsengang: Bei einem traditionellen IPO werden Aktien der Öffentlichkeit angeboten. In aller Regel unterstützen bei dem Prozess Investmentbanken, die sogenannten Underwriter. Interessierte können die Aktien „zeichnen“. Erst nach einem Stichtag startet dann der Handel damit an der Börse. Bei einem IPO ist nicht entscheidend, ob es mit einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien einhergeht oder ob die bisherigen Unternehmenseigentümer existierende Aktien verkaufen. Häufig findet sogar eine Kombination aus beidem statt.
  2. Direktplatzierung (Direct Listing): Bei dieser Methode verzichtet das Unternehmen auf die Dienste von Underwritern und listet seine Aktien direkt an der Börse. Bestehende Anteile können direkt von den bisherigen Eigentümern an der Börse verkauft werden, ohne dass neue Aktien ausgegeben werden. Das bedeutet, dass das Unternehmen durch diesen Prozess kein neues Kapital aufnimmt, sondern den aktuellen Aktionären und Aktionärinnen ermöglicht, ihre Anteile zu verkaufen.
  3. SPAC (Special Purpose Acquisition Company): Eine SPAC ist eine Blankoscheck-Gesellschaft, die durch ein IPO Kapital beschafft, um ein anderes Unternehmen zu erwerben. Nach der Kapitalbeschaffung sucht die SPAC nach einem Zielunternehmen für die Übernahme. Für das Zielunternehmen stellt dies eine alternative Möglichkeit dar, die oft schneller und mit weniger regulatorischem Aufwand verbunden ist als ein traditionelles IPO.
  4. Dual Listing: Einige Unternehmen wählen ein Dual Listing, bei dem ihre Aktien gleichzeitig an mehr als einer Börse gelistet werden. Dies kann die Liquidität erhöhen und den Zugang zu mehr Kapital ermöglichen, indem Investoren und Investorinnen aus verschiedenen Regionen angezogen werden.
  5. Secondary Public Offering (SPO): Obwohl ein SPO technisch gesehen kein Börsengang ist, da das Unternehmen bereits öffentlich ist, handelt es sich um einen weiteren bedeutenden Verkauf von Aktien an die Öffentlichkeit. Dies kann nach einem IPO erfolgen, um zusätzliches Kapital zu beschaffen.

Gefahr von Übernahmen

Doch es gibt auch eine Reihe von Nachteilen bei einem Börsengang: Die bisherigen Eigentümer haben keinen Zugriff mehr auf den Gewinn, solange sie nicht selbst zu Aktionären oder Aktionärinnen werden. Zudem müssen börsennotierte Unternehmen viele zusätzliche Regeln einhalten, damit die Aktionäre und Aktionärinnen wissen, worein sie investieren und ein Stück weit vor Überraschungen geschützt sind. So müssen Geschäftszahlen in großer Transparenz und Regelmäßigkeit veröffentlicht werden.

Wer eine Aktie kauft, dem gehört das Unternehmen zu einem verschwindend kleinen Teil. Dennoch darf die Aktieninhaberin ganz demokratisch auf der Hauptversammlung über wichtige Entscheidungen mit abstimmen. Je mehr Aktien jemand hält, desto größer das Stimmrecht. Fonds, die die Aktienkäufe vieler Menschen bündeln, haben damit erheblichen Einfluss. Das Management muss sich also nicht mehr nur gegenüber Aufsichtsrat (sofern es einen gibt) und Mitarbeitenden verantworten, sondern insbesondere auch gegenüber den Aktionären und Aktionärinnen. Da für diese nur der Börsenkurs wichtig ist, können sie Entscheidungen einfordern, die womöglich langfristig nicht das Beste für das Unternehmen und seine Mitarbeitenden sind.

Was für einen Börsengang spricht – und was dagegen

Vorteile

Vorteile eines Börsengangs:

  • Kapitalbeschaffung: Einer der Hauptgründe für einen Börsengang ist die Möglichkeit, Kapital für Wachstum, Forschung und Entwicklung oder den Abbau von Schulden zu beschaffen. Durch die Ausgabe seiner Aktien können Unternehmen Millionen- oder sogar Milliardenbeträge erzielen.  

  • Unternehmensbewertung: Ein Börsengang kann die Transparenz und Sichtbarkeit eines Unternehmens erhöhen und so seine Glaubwürdigkeit und Bekanntheit auf dem Markt steigern.  

  • Mitarbeiterbeteiligung: Unternehmen können Aktienoptionen oder -pakete als Anreize für ihre Mitarbeiter anbieten. Das kann helfen, Talente zu gewinnen und zu halten.  

  • Exit-Strategie für Investoren: Frühe Investoren, wie Venture-Capital-Gesellschaften, streben oft den Börsengang an, um ihre Investitionen zu verkaufen und Gewinne zu realisieren.  

Nachteile

Nachteile eines Börsengangs:

  • Kosten: Ein Börsengang ist teuer. Es fallen Gebühren für Banken, Rechtsanwälte und PR-Experten an.  

  • Zeitaufwand: Die Vorbereitung auf einen Börsengang kann Monate oder sogar Jahre dauern.  

  • Publizität: Ein börsennotiertes Unternehmen muss regelmäßig finanzielle Details und Geschäftsstrategien offenlegen.  

  • Marktdruck: Es besteht ständiger Druck, die Erwartungen der Aktionäre zu erfüllen, was zu einer kurzfristigen Denkweise führen kann.  

  • Übernahmerisiko: Erscheint Investoren oder anderen Unternehmen der Kurs günstig, können sie das börsennotierte Unternehmen allein durch den Kauf von genügend Aktien übernehmen.  

In Deutschland ist die Zahl der börsennotierten Unternehmen überschaubar. Zum Stichtag 30.12.2022 zählte das Magazin GoingPublic  426 Unternehmen, die im gesetzlich regulierten Markt gelistet waren. Hinzu kamen 30 deutsche Unternehmen, die an einer ausländischen Börse notiert sind. Die Anzahl ist dabei erheblich gesunken, wie Daten der Weltbank  zeigen. 2007 waren es noch 761. 

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Stand: 23.02.2024

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