In Deutschland sind etwa 450 Unternehmen an der Börse notiert. 2007 waren es noch fast 800.
Der Börsengang ermöglicht es ihnen, Kapital für Wachstum, Forschung, Mitarbeiterbeteiligung und zum Schuldenabbau zu beschaffen.
Trotz der Vorteile kann ein Börsengang auch Nachteile bedeuten: Er ist kostspielig, erfordert viel Zeit und bringt mehr Pflicht zur Transparenz mit sich. Denn die Unternehmen müssen regelmäßig finanzielle Details offenlegen und die Erwartungen der Aktionäre erfüllen.
Flapp, flapp, flapp, wer geht denn da an die Börse? Es ist Birkenstock, die Marke der berühmten Korkschlappen. Lange Zeit fristeten sie ein Nischendasein. Wegen ihres naturnahen Eindrucks getragen von ökologisch-bewussten Menschen und eher praktisch-orientierten Zeitgenossen.
Man könnte unken, da mittlerweile so viele Menschen kaum einen Schritt ohne Smartphone in der Hand machen, Bequemlichkeit ein wesentliches Kaufkriterium geworden ist. Keine Hand frei? Egal, reingeschlüpft und fertig.
Doch tatsächlich hat die Erfolgsgeschichte, die Birkenstock in den vergangenen Jahren geschrieben hat und die sie nun aufs New Yorker Börsenparkett führt, andere Ursachen. Maßgeblich war wohl ein Foto im Modemagazin Vogue, das Modell Miranda Kerr 2013 wie nebenbei mit den Latschen zeigte. Birkenstock wurde hip. In der Folge stiegen die Absatzzahlen rapide. Zuletzt zierten Sie auch im Barbie-Film die Füße von Hauptdarstellerin Margot Robbie.
Ob es sich lohnt, in diese Aktie reinzuschlüpfen, werden wir hier nicht beantworten. Aber auf eine andere Frage eingehen: Warum gehen Unternehmen überhaupt an die Börse?
Stellen Sie sich das Jahr 1602 vor. Während die meisten von uns an das Zeitalter der Entdecker denken, passierte in den windigen Straßen von Amsterdam etwas Revolutionäres. Die Niederländische Ostindien-Kompanie, die mit exotischen Waren aus Asien handelte, hatte eine Idee, die die Wirtschaft für immer verändern sollte: Sie beschloss, Anteile ihres Unternehmens an die Öffentlichkeit zu verkaufen, und schuf so die erste Aktie und den ersten Börsengang der Welt. Dies war der Startschuss für das, was wir heute als Aktienmärkte kennen.
Seitdem sind die Börsen ein Spiegelbild unserer sich wandelnden Welt. Die Börse als Barometer, dass die gesellschaftliche Stimmung misst, oft in übersteigerter Form. In 1840er Jahren brach beispielsweise der große Eisenbahn-Aktienboom aus. Ein Hype, der in großer Ernüchterung endet. Zu Zeiten der deutschen Hyperinflation 1923 galten Aktien als einzige Chance, Vermögenswerte zu wahren. Wenige Jahre später folgte die Große Depression, eingeleitet und teilweise verstärkt vom Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929, als der US-Aktienmarkt zusammenbrach.
Doch auch einzelne Unternehmen vermochten immer wieder besondere Aufmerksamkeit mit ihren Börsengängen auf sich zu ziehen. Nehmen wir zum Beispiel Alibaba. Im Jahr 2014 schlug dieses chinesische E-Commerce-Unternehmen alle Rekorde und sammelte beim bis dato größten Börsengang beeindruckende 22 Milliarden US-Dollar ein. Das toppte der saudi-arabische Gas- und Ölkonzern Aramco 2019 mit 26 Milliarden US-Dollar.
Oder denken Sie an Facebook im Jahr 2012: Mit einem Medienrummel, der selbst die meisten Hollywood-Premieren in den Schatten stellte, trat das Social-Media-Phänomen auf das Parkett und sammelte 16 Milliarden US-Dollar ein. Obwohl der Kurs anfangs deutlich bergab ging, hat das Unternehmen, das mittlerweile Meta heißt, seither seinen Wert verzehnfacht.
Und dann war da noch die Deutsche Telekom im Jahr 1996. Der Börsengang war bemerkenswert wegen der großen öffentlichen Kampagne mit bekannten Stars wie Manfred Krug, die mit "T-Aktien" und dem Versprechen von Volksaktien warben. Viele Menschen in Deutschland investierten dadurch erstmals in Aktien – und mussten nach einer beachtlichen Rallye einen Rückgang um 90 Prozent verkraften.
Tipp: In nur eine Aktie zu investieren gilt seit jeher als unnötig riskant. Kann gut gehen, muss aber nicht. Bedenken Sie immer auch den Hype- und Marketing-Faktor. Streuen Sie besser Ihr Risiko beispielsweise mit Fonds oder ETFs, also börsengehandelten Indexfonds.
Bleibt aber die grundlegende Frage, was Unternehmen an der Börse machen. Sie beschaffen sich dort Kapital. Um zu investieren oder Kosten zu decken, die über ihre Einnahmen hinausgehen, brauchen sie Geld. Dazu haben sie verschiedene Möglichkeiten:
In der Praxis greifen Unternehmen auf mehrere oder alle genannten Formen zur Finanzierung zurück.
Der große Vorteil eines Börsengangs: Gegenüber den Aktionären haben Unternehmen keine Zahlungsverpflichtungen. Sie können eine Dividende zahlen, also einen Betrag vom Gewinn (manchmal sogar trotz Verlusts) pro Aktie an die Aktionäre weitergeben – aber das müssen sie nicht. Früher oder später erwarten Aktionäre allerdings, dass das Unternehmen seine Gewinne teilt.
Entscheidend für das Unternehmen ist, zu welchem Preis es seine Aktien erstmalig verkauft. Das ist letztlich die Summe, die es einnimmt. Investoren und auch Mitarbeiter, die Unternehmensanteile in den Jahren erworben haben, wissen nun ebenfalls, was diese wert sind. Solange sie ihre Aktien halten, ist für sie wichtig, wie sich der Kurs weiter an der Börse entwickelt. Für das Unternehmen selbst spielt die weitere Kursentwicklung nur bedingt eine Rolle. Unter anderem könnte es gegen seinen Willen übernommen werden, wenn ein anderes Unternehmen eine Mehrheit der an der Börse gehandelten Aktien aufkauft. Je niedriger der Aktienkurs, desto billiger der Übernahmeversuch. Abgesehen davon könnte das Unternehmen eines Tages weitere Aktien verkaufen, um nochmals Kapital einzunehmen. Wie viel dann dabei herausspringt, hängt vom Kurs der alten Aktien ab.
Doch es gibt auch eine Reihe von Nachteilen bei einem Börsengang: Die bisherigen Eigentümer haben keinen Zugriff mehr auf den Gewinn, solange sie nicht selbst zu Aktionären werden. Zudem müssen börsennotierte Unternehmen viele zusätzliche Regeln einhalten, damit die Aktionäre wissen, worein sie investieren und ein Stück weit vor Überraschungen geschützt sind. So müssen Geschäftszahlen in großer Transparenz und Regelmäßigkeit veröffentlicht werden.
Wer eine Aktie kauft, dem gehört das Unternehmen zu einem verschwindend kleinen Teil. Dennoch darf die Aktieninhaberin ganz demokratisch auf der Hauptversammlung über wichtige Entscheidungen mit abstimmen. Je mehr Aktien jemand hält, desto größer das Stimmrecht. Fonds, die die Aktienkäufe vieler Menschen bündeln, haben damit erheblichen Einfluss. Das Management muss sich also nicht mehr nur gegenüber Aufsichtsrat (so es einen gibt) und Mitarbeitern verantworten, sondern insbesondere auch gegenüber den Aktionären. Da für diese nur der Börsenkurs wichtig ist, können sie Entscheidungen einfordern, die womöglich langfristig nicht das Beste für das Unternehmen und seine Mitarbeiter sind.
Kapitalbeschaffung: Einer der Hauptgründe für einen Börsengang ist die Möglichkeit, Kapital für Wachstum, Forschung und Entwicklung oder den Abbau von Schulden zu beschaffen. Durch die Ausgabe seiner Aktien können Unternehmen Millionen- oder sogar Milliardenbeträge erzielen.
Unternehmensbewertung: Ein Börsengang kann die Transparenz und Sichtbarkeit eines Unternehmens erhöhen und so seine Glaubwürdigkeit und Bekanntheit auf dem Markt steigern.
Mitarbeiterbeteiligung: Unternehmen können Aktienoptionen oder -pakete als Anreize für ihre Mitarbeiter anbieten. Das kann helfen, Talente zu gewinnen und zu halten.
Exit-Strategie für Investoren: Frühe Investoren, wie Venture-Capital-Gesellschaften, streben oft den Börsengang an, um ihre Investitionen zu verkaufen und Gewinne zu realisieren.
Kosten: Ein Börsengang ist teuer. Es fallen Gebühren für Banken, Rechtsanwälte und PR-Experten an.
Zeitaufwand: Die Vorbereitung auf einen Börsengang kann Monate oder sogar Jahre dauern.
Publizität: Ein börsennotiertes Unternehmen muss regelmäßig finanzielle Details und Geschäftsstrategien offenlegen.
Marktdruck: Es besteht ständiger Druck, die Erwartungen der Aktionäre zu erfüllen, was zu einer kurzfristigen Denkweise führen kann.
Übernahmerisiko: Erscheint Investoren oder anderen Unternehmen der Kurs günstig, können sie das börsennotierte Unternehmen allein durch den Kauf von genügend Aktien übernehmen.
In Deutschland ist die Zahl der börsennotierten Unternehmen überschaubar. Zum Stichtag 30.12.2022 zählte das Magazin GoingPublic 426 Unternehmen, die im gesetzlich regulierten Markt gelistet waren. Hinzu kamen 30 deutsche Unternehmen, die an einer ausländischen Börse notiert sind. Die Anzahl ist dabei erheblich gesunken, wie Daten der Weltbank zeigen. 2007 waren es noch 761.
Im vergangenen Jahr kam nur Porsche hinzu. VW, zu dem der Luxusautobauer bis dato gehörte, bekam dadurch 9,1 Milliarden Euro für die 110 Millionen Aktien, die an der Börse gehandelt werden. Weitere 10 Milliarden Euro bekam der Konzern für 25 Prozent der Anteile, die an die Familienholding von Porsche gingen.
Ein Familienunternehmen ist Birkenstock schon seit 2021 nicht mehr. Die Erben Alexander und Christian Birkenstock hatten die Mehrheit am Unternehmen verkauft – an die Beteiligungsfirma L Catterton sowie Bernard Arnault, einem der reichsten Menschen der Welt. Birkenstock soll damals mit 4 Milliarden Euro bewertet worden sein. Agenturberichten zufolge rechnen die neuen Eigentümer bei einem Börsengang mit einer Bewertung von 8 Milliarden Euro. Ein rasanter Anstieg, den die Latschen da bewältigt haben.
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Stand:11.09.2023