Die Mehrheit der Menschen in Deutschland erwirbt die erste eigene Immobilie im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Der Durchschnitt liegt bisher noch deutlich über 40 Jahren. Aber der Trend scheint sich zu ändern: Inzwischen kommen knapp 61 Prozent der Anfragen nach einem Eigenheim von 24- bis 39-Jährigen. Besonders groß ist dabei mit 24 Prozent das Interesse der Menschen zwischen 30 und 34 Jahren. Für die Baufinanzierungsstudie hat das Vergleichsportal Hausfrage aus den Jahren 2019 und 2020 über 51.000 Datensätze und das Interesse für Baufinanzierungen ausgewertet. Ein weiteres Ergebnis fällt auf: 82 Prozent der Hauskäuferinnen und -käufer möchten die Immobilie selbst bewohnen.
Während der Corona-Pandemie standen die Menschen Schlange vor den Baumärkten. Im Lockdown wurde das Heimwerken zum Trend. Eine Umfrage der Landesbausparkassen bestätigt das: 55 Prozent der befragten Mieterinnen und Mieter gestalteten ihr Zuhause in dieser Zeit neu. Bei Hausbesitzerinnen und -besitzern waren es sogar 68 Prozent. Für die Umfrage wurden 1.000 Menschen zwischen 20 und 45 Jahren befragt. Mit der Neugestaltung der Wohnung geht der Wunsch nach mehr Grün einher. Rund 34 Prozent der Befragten gaben an, bei einem anstehenden Umzug stärker auf Balkon und Garten achten zu wollen. Dafür dürfte nicht nur der Lockdown verantwortlich sein. Seit Jahren liegt biophile Wohngestaltung im Trend. Ob Hochbeet auf dem Balkon, „Urban Jungle“ im Schlafzimmer oder geflochtene Korbsessel im Wohnzimmer: Die Menschen holen sich die Natur ins Haus.
Zur Generation Y gehören Menschen aus den Jahrgängen 1980–1995. Heute sind ihre Vertreter ungefähr zwischen Mitte 20 und 40 Jahre alt. Die „jungen Leute“ sind erwachsen geworden. Englisch Ausgesprochen beinhaltet die Bezeichnung ein aussagekräftiges Wortspiel: Die Generation why (warum) stellt Althergebrachtes infrage, bricht mit Konventionen und setzt auf Selbstbestimmung. Der Generation Y, den Digital Natives, verdanken wir es, dass Begriffe wie Work-Life-Balance, Sabbatical oder Homeoffice sich zu einem festen Bestandteil des heutigen Vokabulars und Denkens entwickelt haben. Freiheitsstreben, Teilhabe und gleichzeitige Verunsicherung durch die zahlreichen gesellschaftlichen Umbrüche der letzten 30 Jahre gehören zu den Hauptthemen der Generation Y.
Die Umfragen zeigen: Viele junge Erwachsene wünschen sich eine eigene Immobilie, auch wenn sie den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses erst in einigen Jahren vollziehen wollen oder können. Entscheidend für einen Immobilienkauf ist immer die persönliche Situation – privat wie beruflich. Aber welche Kriterien spielen dabei eine Rolle? Wir haben nachgefragt.
Kira, 30, Journalistin: Ich wohne seit einigen Jahren in Bremen und bin mir seit zwei Jahren sicher, dass ich hier bleiben möchte. Ich kann mir gut vorstellen, ein kleineres Reihenhaus zu kaufen und dort allein einzuziehen. Auch wenn ich mir später Kinder wünsche, möchte ich das Haus nicht nur für eine eventuelle zukünftige Familie kaufen. Ein Eigenheim ist immer eine gute Investition – und ich möchte meine eigenen Wohnträume erfüllen. Besonders als Frau möchte ich nicht auf Mann und Kinder warten, um mir den Wunsch nach einem Eigenheim zu erfüllen. Von diesem Klischee halte ich nichts.
Natürlich wird es nicht leicht werden, selbst ein Haus zu finanzieren. Am Beispiel meines Elternhauses sehe ich, über wie viele Jahrzehnte du durch eine eigene Immobilie an einen Kredit gebunden sein kannst. Das finde ich beängstigend. Ich werde mir sicher noch viele Gedanken machen, bevor ich mich für oder gegen ein Eigenheim entscheide.
Trotzdem habe ich bereits jetzt viele Vorstellungen, wie mein künftiges Haus aussehen könnte. Im Grunde habe ich drei Anforderungen. Das Haus muss zwar nicht groß sein, sollte aber mehrere Etagen haben. Ich werde auch nach der Corona-Pandemie weiterhin viel im Homeoffice arbeiten. Die Idee, den Wohn- und Arbeitsbereich durch verschiedene Etagen voneinander abtrennen zu können, finde ich sehr charmant.
Außerdem ist mir eine gute Energieeffizienz des Hauses sehr wichtig. Fotovoltaikanlagen finde ich spannend, auch wenn so eine Anschaffung kostspielig werden kann. Aber ich möchte keine Immobilie, die in den 90ern das letzte Mal gedämmt wurde und bei der es durch jede Ritze zieht. Auf Klimafreundlichkeit achte ich sehr. Deswegen wünsche ich mir einen eigenen Garten. Ich möchte dort selbst Obst und Gemüse anpflanzen und auch im Winter eigene Kräuter verwenden können. Das bedeutet für mich Lebensqualität.
Wann oder ob es dazu kommen wird, kann ich allerdings noch nicht sagen.
Frederico, 30, Personalmanager: Momentan wohne ich zur Miete und bin damit sehr zufrieden. Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, ein Haus zu kaufen. Das hängt davon ab, ob ich immer einen festen Arbeitsplatz haben werde. Ich mag meine Flexibilität. Wenn mein Freund und ich überlegen, für eine neue Arbeit nach Paris zu ziehen, dann möchte ich keinen riesigen Immobilienkredit im Hintergrund haben, der mich daran hindert. Ich möchte meine Entscheidungen weiterhin unabhängig treffen können und keine Notwendigkeit verspüren, immer mehr arbeiten und immer mehr Geld verdienen zu müssen. Dieses Denken halte ich für falsch.
Meine Mutter hat ein eigenes Haus und arbeitet seit 25 in ihrem Job. Darauf kann sie sich verlassen – und das ist gut. Jemand, der sein ganzes Leben lang dieselbe Anstellung hat, kann einfacher planen. Heutzutage ist das nicht mehr so, die Gesellschaft hat sich verändert und die Stabilität im Arbeitsleben gibt es nicht mehr. Meiner Meinung nach gehört auch das Modell, einen Immobilienkredit mit einer Laufzeit von über 40 Jahren abzubezahlen, in die Vergangenheit.
Wenn ich mir ein Haus kaufe, dann würde ich im Vorhinein sehr viel sparen. So könnte ich einen Großteil des Kaufpreises durch Eigenkapital decken. Für die restliche Summe würde ich einen Kredit aufnehmen, aber nur für eine Spanne von circa 10 Jahren. Ich kann mir auch vorstellen, das Haus zu vermieten. Das würde ich aber zu fairen Preisen tun.
Aljona, 28, Beraterin Kommunikation: Obwohl ich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin, weiß ich so lange ich denken kann, dass das Landleben nichts für mich ist. Die Natur, die ländlichen Strukturen haben mich nie gereizt. Mittlerweile lebe ich in der Großstadt, hier fühle ich mich wohl. Etwas anderes kann ich mir inzwischen nicht mehr vorstellen.
Ein Eigenheim besitze ich noch nicht. In meiner Bubble trifft das allerdings auf die meisten 28-Jährigen zu. Trotzdem wünsche ich mir für die Zukunft eine schöne Eigentumswohnung in einer Großstadt. Das ist eine gute Anlage und Altersvorsorge.
Noch mehr gefällt mir die Vorstellung, meine eigene Wohnung nach meinem Geschmack zu renovieren und zu gestalten. Ich liebe es, mich kreativ auszutoben und gehe in dieser Aufgabe voll auf. Gleichzeitig bleibt es für mich wichtig, in die Anonymität und Diversität der Großstadt einzutauchen, sobald ich meine Wohnung verlasse. In vielerlei Hinsicht ist das Leben in der Großstadt bunter als das Leben in der Kleinstadt. Deswegen schreckt mich ein Haus auf dem Land ab.
Richtig ernsthaft habe ich mich mit dem Thema Eigenheim noch nicht beschäftigt. Der Gedanke an eine Eigentumswohnung bleibt bislang ein Hirngespinst. Wahrscheinlich befinde ich mich noch nicht in einer Lebensphase, in der solche Gedanken wichtig werden. In fünf Jahren sieht das aber sicher anders aus.
Hannes, 31, Wissenschaftler: Vor einigen Jahren kamen meine Mitbewohner und Mitbewohnerinnen und ich zu dem Entschluss, nicht mehr zur Miete wohnen zu wollen. Uns war klar: Es bringt uns nichts, wenn alle für sich ein klassisches Einfamilienhaus bauen. Wir wünschten uns einen gemeinschaftlichen Besitz, denn das Zusammenleben hat viele Vorteile.
Mit 15 Personen gründeten wir einen Verein. Der Verein baute wiederum eine GmbH auf, über die wir unser Gemeinschaftshaus kaufen konnten. Das war 2019. Als GmbH haben wir einen Immobilienkredit aufgenommen, das Eigenkapital der GmbH stemmten wir durch Direktkredite der Hausbewohner*innen an die Firma. Durch den gemeinschaftlichen Besitz können wir den Mieter*innen eine dauerhaft günstige Miete ermöglichen.
Natürlich war es anfangs eine große Herausforderung, die passende Immobilie zu finden und alle Beteiligten über einen so langen Zeitraum zusammenzuhalten. Aber wir haben beides geschafft. Unser nächstes Ziel wird es sein, das Gebäude CO2-neutral zu sanieren. Bei einem Altbau dauert das leider viele Jahre.
Das Gemeinschaftshaus lebt durch das Bewusstsein für die Nachbarschaft. Wir wollen bewusst der Vereinsamung in unserer Gesellschaft entgegenwirken. Besonders während der Corona-Pandemie war es schön, mit den Nachbar*innen im Austausch zu stehen und sich gegenseitig bei Einkäufen, bei der Gartenarbeit oder anderen Kleinigkeiten zu helfen. Der Garten bietet zum Glück jede Menge Platz für Obst- und Gemüseanbau und eine entspannte Auslauffläche.
Der große Vorteil gegenüber Eigentümergemeinschaften liegt darin, dass alle Personen zur Miete wohnen. Ändern sich die Lebensumstände, passen wir die Mietverträge einfach an. Wir können immer wieder nachjustieren, denn wir wohnen in einem Gemeinheim, nicht im Eigenheim. Für uns funktioniert das super und ich kann den Menschen nur empfehlen, selbst Gemeinheime zu gründen.
Die Namen unserer Interviewpartner und Interviewpartnerinnen wurden von der Redaktion geändert.