Als die Zukunft Gestalt annahm

Reisen Sie zu den spannendsten Orten der Bauhaus-Schule – auf der Grand Tour der Moderne und anderen Routen

Die Grand Tour der Moderne verbindet Orte in Deutschland, an denen im Lauf der vergangenen 100 Jahre bekannte und weniger bekannte Produkte, Projekte und Gebäude entstanden sind. Auf dieser Tour, und auch darüber hinaus, gibt es viel zu entdecken. Viele dieser Orte und Projekte werden heute von Sparkassen und ihren Verbundpartnern gefördert.

Grafik mit geometrischen Figuren

Deutschland ist die Wiege des Bauhauses. Noch heute definiert diese wegweisende, gattungsübergreifende internationale Schule für Kunst, Architektur, Design und Bühne unser Leben in so elementaren Bereichen wie Wohnen, Arbeiten und Lernen – nachhaltig.

Das Kunstmagazin art hat daher dem Bauhaus-Jubiläum eine Sonderausgabe gewidmet. Darin finden interessierte Leser ein von den Sparkassen gefördertes Booklet, das über Architekturdenkmäler und die wichtigsten Ausstellungen des Jubiläumsjahres in ganz Deutschland informiert.

Kathedrale der Zukunft: Bauhaus goes Theater

Die Grand Tour der Moderne ist eine Entdeckungsreise. Sie führt uns nach Dresden zu dem Festspielhaus Hellerau. Nach seiner Entstehung war das Theater über Jahrzehnte das Zentrum des kulturellen Lebens im gleichnamigen Stadtteil.

Als Aldolphe Appia und Alexander von Salzmann 1911 in Hellerau zusammentrafen, schufen sie mit dem Großen Saal des Festspielhauses den Idealraum für das Theater des 20. Jahrhunderts. Mit Appias modularer Bühne und von Salzmanns schattenfreiem Lichtraum entstand im Festspielhaus der Prototyp der modernen Theaterbühne.

Zahlreiche europäische Schriftsteller, Theaterregisseure, Architekten und Choreografen reisten zu Inszenierungen und waren von den bahnbrechenden neuen Möglichkeiten fasziniert. Aufgrund der frei installierbaren Zuschauerreihen und des Verzichts auf eine Erhebung der Bühne sowie eines Vorhangs bezeichnete Appia das Festspielhaus damals als „Kathedrale der Zukunft“.

Denn Zuschauer und Darsteller verschmelzen hier zu einer geistigen Einheit. Im Mittelpunkt: Der „bewegte Mensch“, der durch die Ausbildung seiner rhythmischen Fähigkeiten zu einem ganzheitlichen Individuum werden sollte.

2017 bespielte das Dresdener Theater Appias historischen Bühnenraum erstmals wieder, nachdem er – ebenso wie der von Alexander von Salzmann gestaltete Lichtraum – in den Jahren zuvor rekonstruiert worden waren. 2019, im Jahr des Bauhaus-Jubiläums, kommt Appias Bühne erneut zum Einsatz.

„Arena“: Skulptur als Begegnungsort

Kunstinstallation mit vier Personen

Die Reise geht weiter nach Dessau. Im Bauhaus-Gebäude beweist die US-amerikanische Künstlerin Rita McBride mit ihrer Bühneninstallation „Arena“, dass sich die Strahlkraft des Bauhauses nicht alleine auf die gestalterischen Elemente der Architektur oder des Designs reduziert.

Während eines fünftägigen Festivals zum Thema Bühne im September 2019, direkt nach der Eröffnung des neuen Bauhaus Museums Dessau, wird ihre „Arena“ zur Performance-Akademie: Täglich gibt es dort Gespräche und Vorträge mit den Akteurinnen und Akteuren des Festivals sowie Einführungen und Publikumsgespräche zu den Aufführungen.

Dabei betrachten die Teilnehmer die historischen Perspektiven des Bauhauses in Auseinandersetzung mit einer zeitgenössischen Position des 21. Jahrhunderts. So ist die Bühne zentraler Veranstaltungsort und Rahmen szenischer und kultureller Ereignisse zugleich.

Anschließend wird die „Arena“ für ein Jahr zum szenischen Spielort für ein sehr vielseitiges Programm: Theater, Tanz, Performance-Projekte und Gespräche. Damit will sich das neu eröffnete Bauhaus Museum Dessau zukünftig stärker als Diskussionsort in das Dessauer Stadtleben einbringen.

Home sweet home: Wie wollen wir leben?

Bis Oktober 2019 tourt ein von Schülern gestalteter Überseecontainer durch Thüringen. An den Jugendkunstschulen steht er Kindern und Jugendlichen als Forschungsraum sowie Werkstatt bereit – und widmet sich einer zentralen Frage: Wie wollen wir leben und wohnen?

Diese Auseinandersetzung erinnert besonders an die Entstehungszeit der Bauhaus-Bewegung vor einhundert Jahren: Damals stellten sich deren Akteurinnen und Akteure dieselbe Frage – und revolutionierten bei der Suche nach Antworten das Wohnen.

Ziel des mobilen Projektes ist, dass Kinder und Jugendliche ihre Vorstellungen vom Leben und Wohnen kreativ erforschen, Räume gestalten und sich aktiv am Prozess des Bauens beteiligen. Dafür stehen ihnen in dem Container Baumaterialien und Werkzeuge bereit.

Jeder Standort der Container-Reise wird von einer Reportergruppe begleitet, die von den Teilnehmenden ausgewählt wurde. Die Reporter dokumentieren den Projektverlauf, machen Interviews, Fotos und Filme. Anschließend veröffentlichen sie ihre Ergebnisse in den sozialen Netzwerken. So können sich die vorangegangenen und zukünftigen Projektgruppen miteinander austauschen.

Rot und Blau: Neues Bauen in Celle

Nicht nur Weimar, Dresden und Dessau, die bekannten Orte im Osten Deutschlands, auch Celle gehört zu den bedeutenden Bauhaus-Metropolen. Deshalb führt die Grand Tour in die Stadt am Südrand der Lüneburger Heide.

Dort entwarf der Architekt Otto Haesler in den 1920er Jahren sieben Einzelbauten und Siedlungen im Stil des Neuen Bauens. Die roten und blauen Gebäude wurden damals nicht nur national, sondern auch international stark beachtet. Selbst heute ist das Interesse noch so groß, dass die Stadt Führungen und Veranstaltungen anbietet.

Bis Ende 2019 demonstriert eine Ausstellung im Celler Otto-Haesler-Museum den Werdegang des Architekten, seine Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit – sowie seinen engen inhaltlichen Bezug zum Bauhaus.

Raumwirkung und feine Strukturen: Die Bauhaus-Tapete

Auch abseits der Grand Tour gibt es Spannendes zu entdecken. Wie universell die Lehre der Bauhaus-Schule das Leben von Millionen Menschen geprägt hat, zeigt auch ein Unternehmen nicht weit von Celle:  In Bramsche bei Osnabrück produziert die Firma Rasch noch heute die Bauhaus-Tapete.

Vor fast 90 Jahren entwickelte die Fabrik gemeinsam mit Hannes Meyer, einem der Bauhaus-Direktoren, die erste Kollektion. Trotz anfänglicher Kritik verkauften sich innerhalb weniger Jahre über sechs Millionen Rollen. Das war der größte kommerzielle Erfolg des Bauhauses. Noch heute wird diese Tapete hergestellt – als einziges von allen Original-Produkten weltweit.

Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums stellt das Unternehmen bis Februar 2020 neben den Tapeten verschiedene Exponate der damaligen Zeit aus. Dazu zählen Musterbücher und Zeugnisse der begleitenden Werbekampagnen. Die Besucher erwartet ein Gang entlang der 90-jährigen Geschichte der Bauhaus-Tapete. Sie erfahren etwas über ihren ursprünglichen Bestimmungsort, die sogenannte „Volkswohnung“, und lernen die Macher der Tapete kennen.

Ziel ist ein zeitgemäßer Blick auf ein besonderes Bauhaus-Produkt. Anhand dessen wird die Widersprüchlichkeiten der Wirkungsgeschichte des Bauhauses genauso aufgezeigt wie dessen Utopien und Ideen für gemeinschaftliches, interdisziplinäres Gestalten.

Eine Ikone für das Bauhaus: die Wagenfeld-Leuchte

Porträt des Designers Wilhelm Wagenfeld

Auch in Bremen kann man ein weltberühmtes Bauhaus-Produkt neu entdecken: die Bauhaus-Leuchten von Wilhelm Wagenfeld. Im Rahmen des Jubiläums widmet sich die Grand Tour seinen Leuchten. Der Designer hat im Laufe seiner Karriere fast 150 von ihnen entworfen und prägte über Jahrzehnte das deutsche Produktdesign.

Die Ausstellung der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung in Bremen präsentiert noch bis Anfang November 2019 seine berühmte Tischleuchte als Ausgangspunkt einer außergewöhnlichen Rezeptionsgeschichte. Sie macht deutlich, wie Wagenfeld das Bauhaus weitergedacht hat.

Denn in seinen späteren Jahren entwickelte der Designer keine modisch extravaganten Kronleuchter, sondern preiswerte Leuchten auch für bisher wenig beachtete Bereiche wie Bad, Keller und Flur.

So blieb Wagenfeld einem der zentralen Ansprüche der Bauhaus-Schule treu, „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ herzustellen. Zugleich beweist die Ausstellung mit seinen Leuchten, wie prägend Form und Anschauung des Bauhauses bis heute sind.


100 Jahre Bauhaus: Als die Zukunft Gestalt annahm

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