Deutschlands Wirtschaft ist nach wie vor stark – doch nach Jahren des Booms geht den Unternehmen die Puste aus. Das liegt auch an internationalen Handelskonflikten. Der Mittelstand ist verunsichert. Das spürt die exportorientierte deutsche Industrie.
Deutschland profitiert seit jeher von seiner offenen Wirtschaft. Umgekehrt zählte es in den vergangenen zwei Jahren zu den Hauptleidtragenden der Handelskonflikte in vielen Regionen der Welt. Der funktionierende weltweite Warenaustausch ist für unseren Wohlstand essentiell. Basis dafür bilden Freihandelsabkommen.
Freihandelsabkommen spielen für internationale Wirtschaftsbeziehungen eine entscheidende Rolle. So liberalisierten sie in den vergangenen Jahren zunehmend den Handel. Und sie werden immer wichtiger:
Freihandelsabkommen sind sogenannte „living agreements“ also „lebende Vereinbarungen“. Sie regeln nicht nur wirtschaftliche Themen, sondern auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit.
Dazu gibt es begleitende Ausschüsse: Darin verhandeln die Vertragsparteien weiter und klären offene Fragen. Freihandelsabkommen bieten also kontinuierlich Raum für Diskussionen.
Die EU schloss das erste Abkommen 1973 mit der Schweiz. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 traten weitere Abkommen in Kraft. Danach gewann die Entwicklung an Fahrt: Heute, 2023, gibt es 36 Freihandelsabkommen der EU .
Vier neue Handelsabkommen im Überblick:
Das Freihandelsabkommen gibt es seit 2011 – damals exportierte Südkorea noch Güter im Wert von 11,6 Milliarden mehr nach Europa als andersherum. Heute ist die Handelsbilanz so gut wie ausgeglichen. Seit Inkrafttreten stiegen die EU-Ausfuhren nach Südkorea um 55 Prozent, die Exporte aus Deutschland sogar um 70 Prozent.
Südkorea zählt zu den wichtigsten zehn Exportländern der EU. Der Handel zwischen den beiden Staaten wächst – und steigt recht kontinuierlich.
2019 unterzeichneten EU und Vietnam eines der wichtigsten Freihandelsabkommen. Die Hoffnungen der EU sind groß: Bis 2035 sollen europäische Exporte um 35 Prozent wachsen, während gleichzeitig durch das Abkommen 99 Prozent aller bilateralen Handelszölle verschwinden.
Ursprünglich wollte die EU ein Freihandelsabkommen mit der gesamten Gruppe der ASEAN Staaten – doch dieses Vorhaben erwies sich als zu groß.
Neu an dem Abkommen ist: Die Themen Nachhaltigkeit, Rechte von Arbeitnehmern und Umweltschutz stehen im Mittelpunkt. Vietnam folgte außerdem dem Vorschlag der EU und stimmte einem neuen Ansatz beim Investitionsschutz und Streitbeilegungsverfahren zu.
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Singapur ist für Deutschland von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Es gilt seit Ende 2019. Mehr als 10.000 Unternehmen aus Europa haben Vertretungen in Singapur. Sie arbeiten mit der gesamten Region zusammen – und profitieren von den Vorteilen des Freihandels.
Singapur ist für die EU unter den ASEAN-Staaten einer der wichtigsten Handelspartner. Investitionen aus Europa fließen in das Land. Singapur profitiert ebenso: Die EU ist für lokale Unternehmer der zweitwichtigste Handelspartner nach Japan.
Seit Februar 2019 gibt es das EU-Freihandelsabkommen mit Japan. Das Land ist die drittgrößte Wirtschaft der Welt. Wenn das Abkommen komplett umgesetzt ist, wird Japan 97 Prozent seiner Einfuhrzölle abgeschafft haben. Das soll europäischen Exporteuren bis zu einer Milliarde Euro einsparen.
Für die EU ist Japan nach China der zweitgrößte Handelspartner in Asien. Die EU und Japan erwirtschaften rund ein Drittel des globalen BIP. Mit JEFTA profitieren Unternehmer und Kunden nun von einer der größten offenen Handelszonen der Welt – ein starkes Zeichen gegen Protektionismus und die Handelspolitik von Ex US-Präsident Trump.
Im Zentrum des Abkommens stehen auch nachhaltige Standards. Neu ist darin ein klares Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen.
Nach dem Brexit mussten die EU und das Vereinigte Königreich eine neue Handelsgrundlage schaffen. Seit dem 1. Mai 2021 ist ein Partnerschaftsvertrag in Kraft. Das Handels- und Kooperationsabkommen beinhaltet auch ein Freihandelsabkommen. Im Februar 2023 wurde zudem die strittige Rolle Nordirlands mit dem "Rahmenabkommen von Windsor" geklärt.
Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union unterhalten die größte Wirtschaftsbeziehung der Welt. Bisher ist diese Handelsbeziehung nicht durch ein umfassendes Handelsabkommen geregelt.
Von 2013 bis 2016 verhandelten die EU und die USA über eine breit angelegte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Die TTIP-Gespräche wurden noch während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama mit einer gemeinsamen Erklärung auf Eis gelegt.
Sein Nachfolger im Weißen Haus, Donald Trump, verhängte Strafzölle auf Stahl und Aluminium, drohte US-Zölle auf Autos an. Die Handelsbeziehungen verschlechterten sich.
Wie sich die Situation weiterentwickelt, ist derzeit nicht absehbar. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten sich beide Seiten, gemeinsam auf den vollständigen Abbau von Zöllen, Handelshemmnissen und Subventionen für Industriegüter hinzuarbeiten.
Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen, kurz CETA, handelten die EU und Kanada von 2007 bis 2014 aus. Ziel von CETA ist, 99 Prozent der Zölle zu beseitigen, Dienstleistungsmärkte zu öffnen, Investoren verlässliche Bedingungen zu bieten und das geistige Eigentum stärker zu schützen.
Das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, ist seit 2017 vorläufig in Kraft. Bis zu seiner endgültigen Umsetzung müssen noch alle nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren. Die Niederlande nahmen mit knapper Mehrheit das Handelsabkommen an. Auch Frankreich zertifizierte das Abkommen. Die Zustimmung des Deutschen Bundestags steht noch aus.
Nach fast zwanzig Jahren Verhandlungen einigten sich die EU und der südamerikanische Staatenbund Mercosur am 28. Juni 2019 auf ein umfassendes Freihandelsabkommen. Zu den vier Mercosur-Staaten gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Das Abkommen umfasst einen Markt mit 780 Millionen Menschen. Wichtige Elemente des Abkommens sind die mehrheitliche Abschaffung der Zölle auf EU-Ausfuhren in den Mercosur.
Die Diskussionen sind noch im Gang. Deutschland möchte das Abkommen unterzeichnen. Frankreich will jedoch keine Freihandelsabkommen mit Ländern, die sich nicht an das Pariser Klimaabkommen halten – zum Beispiel Brasilien.
Australien gehört zu den am schnellsten wachsenden Industrieländern. Mit zehn weiteren Ländern in der Pazifikregion schloss es vor kurzem die Umfassende und Fortschrittliche Transpazifische Partnerschaft (CPTPP) ab.
Das künftige Abkommen zwischen der EU und Australien soll für europäische Unternehmen die gleichen Bedingungen schaffen wie für die Unternehmen aus den Ländern, mit denen Australien bereits Handelsabkommen hat.
Die EU hat 2018 die Verhandlungen über ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und Australien aufgenommen.
Ein Freihandelsabkommen ist ein Vertrag zwischen zwei oder mehreren Ländern. Mit einem solchen Abkommen schaffen die Vertragspartner unter anderem ihre Zölle beim Import ab. Auch andere Handelshemmnisse wie Import- und Exportbeschränkungen werden abgebaut. Das geschieht meistens stufenweise.
Neben den Zöllen sind auch weitere Themen, zum Beispiel der Handel mit Dienstleistungen, Gegenstand der Verhandlungen.
Es gibt Abkommen, die „einseitig“ und „gegenseitig“ Gültigkeit haben:
Die Regelungen der World Trade Organization (WTO) legen den Rahmen für den Welthandel nahezu vollständig fest. Eine Grundregel der WTO ist die der sogenannten Meistbegünstigung: Gewährt ein Land einem anderen Land Vorteile und Befreiungen, muss es diese auch allen anderen Ländern gewähren.
Freihandelsabkommen bilden eine Ausnahme von diesem Prinzip. Sie regeln günstige Konditionen für ein Land beziehungsweise eine Ländergruppe. Eine Meistbegünstigung lässt sich so also vermeiden.
Es gibt zwei Arten von Präferenzen:
Beispiel: Die EU und die Türkei bilden eine Zollunion. Wird Ware aus China in die Türkei eingeführt und dort verzollt und versteuert, kann die Ware mit einem Freiverkehrsnachweis aus der Türkei in die EU zollfrei importiert werden. Der präferenzielle Ursprung spielt keine Rolle.
Zollunion bedeutet also, dass die Ware des freien Verkehrs der Türkei gleichzusetzen ist mit Ware aus dem freien Verkehr eines anderen EU-Mitgliedstaates.
Es besteht generell keine Pflicht, mit Präferenzen zu arbeiten. Wenn es erforderlich ist, sollten die Vertragspartner die Präferenzen in ihren Verträgen schriftlich festhalten.
Der Mittelstand profitiert, indem er Drittlandware zollvermindert beziehungsweise zollfrei in die EU einführen kann und somit weniger Eingangsabgaben zahlen muss.
Andersherum kann er auch Waren, die „präferenziellen EU-Ursprung“ haben, in Länder mit einem gegenseitigen Abkommen ebenfalls mit Präferenz verkaufen. Das verschafft ihm einen Wettbewerbsvorteil. Seine Kunden erhalten Waren günstiger als bei der Konkurrenz.
Klar ist: Es werden immer mehr Freihandelsabkommen verhandelt werden. Der Vorteil: Weltweit wird es immer weniger Zölle geben oder diese stufenweise reduziert. Der Freihandel wird wachsen.
Zwar stocken die Bemühungen der weiteren Handelsliberalisierung auf globaler (WTO-) oder multilateraler Ebene. Doch bilaterale Abkommen setzen sich mehr und mehr durch. Auffallend ist, wie schnell der von der EU abgeschlossenen Abkommen, zum Beispiel mit Singapur, Japan, Vietnam, Kanada sowie der Verhandlungen mit Australien und Neuseeland.
Es gibt Software unterschiedlicher Zoll-Software-Anbieter, mit der jedes Unternehmen seine (Langzeit-)Lieferantenerklärungen verwalten kann. Damit können Unternehmen diese automatisiert beim Lieferanten anfordern sowie ihren Kunden ausstellen.
Zoll-Software-Anbieter wie i-TMS® bieten auch technische Lösungen zur „Präferenzkalkulation“. Damit können Unternehmen automatisiert berechnen, ob eine hergestellte Ware innerhalb der EU durch eine weitere Bearbeitung und/oder Verarbeitung einen sogenannten „präferenziellen EU-Ursprung“ erlangt hat.
In einer solchen Zollsoftware sind alle Verträge und Verarbeitungsregeln hinterlegt, die in den einzelnen Freihandelsabkommen zwischen den Vertragspartnern geregelt sind. Es kann also für alle Freihandelsabkommen oder gezielt für einzelne Länder geprüft werden, ob die vereinbarten Regeln eingehalten wurden, um eine so genannte „Präferenz“ auf einem Präferenzdokument ausstellen zu dürfen. Der Vorteil: Der Importeur im Vertragspartnerstaat kann so die Waren zollvermindert oder sogar zollfrei importieren.