
Um schneller neue Wohnungen zu bauen, Wohngebäude zu erweitern, aufzustocken und Gebäude in Wohnraum umzuwidmen, hat das Kabinett nun den „Wohnungsbau-Turbo“ beschlossen.
Der Gesetzentwurf vom Juni 2025 sieht befristete Sonderregelungen bis Ende 2030 vor und wird nun dem Bundestag und Bundesrat vorgelegt.
Die Neuerungen betreffen sowohl Bauverantwortliche, Kommunen als auch Mieterinnen und Mieter.
Bauen soll einfacher und schneller werden
Die Bundesregierung will den stockenden Wohnungsbau ankurbeln und verspricht Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger, die Bauwirtschaft sowie kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden – mit weniger Bürokratie und schnelleren Genehmigungen. Bauministerin Verena Hubertz plant dazu Sonderregelungen im Baugesetzbuch. Ziel ist es, Planung und Bau deutlich zu beschleunigen – ganz ohne langwierige Bebauungspläne. Auch unkonventionelle Flächen wie Supermarktdächer sollen künftig einfacher bebaut werden dürfen.
Für wen ist der Bau-Turbo hilfreich?
Der Bau-Turbo soll den Wohnungsbau beschleunigen und Wohnraum sichern. Er betrifft verschiedene Akteure im Bauwesen, darunter Bauverantwortliche, Mieterinnen und Mieter sowie Kommunen:
- Für Bauverantwortliche
- Beschleunigte Genehmigungsverfahren: Durch den neuen § 246e BauGB können bestimmte Wohnbauprojekte ohne klassischen Bebauungsplan genehmigt werden. Die Prüfzeit beträgt maximal zwei Monate, sofern die Kommune das Turbo-Verfahren anwendet.
- Flexiblere Bauvorgaben: Es wird ermöglicht, von bestehenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften abzuweichen, was insbesondere bei Nachverdichtungen, Aufstockungen oder Umnutzungen von Gebäuden hilfreich ist.
- Kosteneinsparungen: Durch verkürzte Planungszeiten und reduzierte bürokratische Hürden können Baukosten gesenkt werden.
- Für Mieterinnen und Mieter
- Stärkung des Mieterschutzes: Der Umwandlungsschutz, der die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einschränkt, wird in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert, bis Ende 2030. Der Deutsche Mieterbund warnt allerdings, dass andere Schutzmechanismen dadurch geschwächt werden könnten und kritisierte, dass der vorgesehene Bau-Turbo nicht garantiere, dass bezahlbare Mietwohnungen entstünden. Er fordert unter anderem die Wiedereinführung kommunaler Vorkaufsrechte in Milieuschutzgebieten, um Mieterinnen und Mieter besser zu schützen.
- Schaffung von bezahlbarem Wohnraum: Der Bau-Turbo zielt darauf ab, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, Familien, Auszubildende, Studierende und ältere Menschen neuen Wohnraum zu schaffen.
- Für Gemeinden
- Erweiterte Handlungsspielräume: Sofern die zuständigen Gemeinden zustimmen, können sie flexibler agieren, indem sie von bauplanungsrechtlichen Vorschriften abweichen können, um schneller Wohnraum zu schaffen.
- Verkürzte Planungszeiten: Die Erstellung oder Änderung eines Bebauungsplans kann mehrere Jahre dauern. Bis vorerst Ende 2030 können Gemeinden flexibel vom bisherigen Bauplanungsrecht abweichen. Mit dem Bau-Turbo kann dieser Planungszeitraum auf zwei Monate reduziert werden, sofern die Gemeinde zustimmt.
- Umnutzung: Gewerberäume zu Wohnraum umzuwidmen beziehungsweise Wohngebäude durch Anbauten zu erweitern, soll einfacher werden. Die Devise: mehr Wohnraum, wo schon gebaut wurde.
- Berücksichtigung von Umwelt- und Nachbarschaftsinteressen: Abweichungen von Bauleitplänen sind nur dann möglich, wenn sie nach überschlägiger Prüfung keine zusätzlichen erheblichen Umweltauswirkungen haben und nachbarschaftliche Interessen gewahrt bleiben.
„Entscheidend ist, dass alle gemeinsam mutige Projekte vorantreiben“
Wie stark kommt der Bau-Turbo der Bundesregierung bei Finanzierenden und Entwicklern vor Ort an? Wir haben bei Erwin van der Hout nachgefragt. Der Immobilienprofi weiß, was es jetzt braucht, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht.

Im Gespräch mit
Erwin van der Hout
Erwin van der Hout leitet als Direktor das private Baufinanzierungs- und Immobiliengeschäft der Stadtsparkasse Düsseldorf.
- Herr van der Hout, erleben Sie durch den Wohnungsbau-Turbo bereits mehr Dynamik am Markt? Gibt es bei Ihren Kundinnen und Kunden verstärktes Interesse?
Jetzt, im Herbst 2025, lässt sich noch nicht eindeutig erkennen, ob die neuen Regelungen zu mehr Bewegung auf dem Markt führen. Viele Akteure sind aufmerksam geworden und suchen das Gespräch, aber in der Umsetzung sehen wir bislang noch Zurückhaltung bei den Projektentwicklern. Die Unsicherheit ist groß, ob sich der Neubau dank Bau-Turbo tatsächlich schneller, günstiger und zugleich rentabel umsetzen lässt, vor allem bei sozial gebundenem Wohnraum.
Hinzu kommt: In Düsseldorf gibt es nur noch wenige Baugrundstücke, auf denen tatsächlich Neubau möglich wäre. Auch durch Aufstockungen lassen sich keine großen Volumina schaffen. Daher sehen wir viel Potenzial bei der Umnutzung von Bestandsimmobilien, also beispielsweise im Umbau von Büros zu Wohnungen. Allerdings gibt es keinen Überblick, wie viele Objekte dafür überhaupt in Frage kämen, denn eine solche Umwidmung ist alles andere als banal. Für Wohnraum gelten ganz andere Anforderungen als für Büroflächen. Das erfordert kreative Projektarbeit, die wiederum schnell an bürokratische und technische Hürden stößt – von der Energieeffizienz bis zur Nachhaltigkeit. Das führt oft zu Kosten, die mit einem Neubau vergleichbar sind. Die nach wie vor komplexe Bürokratie rund um baurechtliche Auflagen und Fördertöpfe muss dringend vereinfacht werden.
- Der Bau-Turbo soll mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Welche Projekte oder Ansätze wären in Düsseldorf besonders vielversprechend, vor allem aus der Sicht von Mietenden?
Für Düsseldorf wären mehr Projekte im industriellen und modularen Bauen spannend, so wie es die Niederlande vormachen: Dort entsteht schnell und kostengünstig neuer Wohnraum, oft in eng bebauten Reihenhauskonzepten oder in kompakten Mehrfamilienhäusern. Wir alle kennen die typische niederländische Klinkeroptik, aber der Ziegel dient dort eben nicht als tragender Stein, sondern als Verschalung einer vorgefertigten Leicht- oder Hybridbaumethode.
Zugleich sind die Niederlande in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz insgesamt sehr gut aufgestellt, auch weil Wärmepumpe und Solarenergie – selbst bei Flachdachbauten – dort den Standard bilden. Dieses Zusammenspiel aus Modulbau und nachhaltiger Technik könnten wir uns abschauen. Es senkt Entstehungskosten und macht damit auch langfristig günstigere Mieten möglich. Viele unserer Kundinnen und Kunden wünschen sich genau solche pragmatischen Ansätze. Noch fehlt es hierzulande aber an flexiblen Bebauungsplänen und klaren Vorgaben für serielle Konzepte, damit diese Ideen in großem Stil umgesetzt werden können.
- Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit die neuen Regelungen in der Praxis wirklich greifen? Wie können Sparkassen, Kommunen und Bauwirtschaft dabei optimal zusammenarbeiten?
Entscheidend ist, dass alle Beteiligten gemeinsam mutige Projekte vorantreiben. Wir stehen als Sparkassen schon immer im engen Austausch mit den Städten, Kommunen oder Landräten und der Bauwirtschaft. Was jetzt fehlt, ist ein echtes Vorzeigeprojekt, das zeigt: Die neuen Regelungen funktionieren für alle. Es braucht diesen motivierenden Anstoß in Richtung Bauträger. Klare Abläufe und schnelle Entscheidungen der Behörden sind dafür genauso wichtig wie passende Finanzierungslösungen und der Mut, neue Wege zu gehen.
Wir haben hier in Düsseldorf schon vor einiger Zeit eine Projektgruppe aus Sparkasse, Bürgervertretung, Bauträgern sowie Architektinnen und Architekten ins Leben gerufen. Gemeinsam haben wir drei größere Leerstandsobjekte näher geprüft. Leider war eine Umwidmung bei keinem der Objekte realisierbar, so dass sich daraus kein Prestigeprojekt entwickeln ließ. Aber wenn alle an einem Strang ziehen und ein solches Leuchtturmprojekt gelingt, kann das bundesweit Signalwirkung entfalten. Das könnte dem Bau-Turbo echten Schub geben.
Teures Wohnen in Großstädten: Mietpreisbremse greift kaum
Trotz Mietpreisbremse, die gerade bis Ende 2029 verlängert wurde, wird Wohnen in deutschen Großstädten immer teurer. Einer Auswertung des Bauministeriums zufolge stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten seit 2015 durchschnittlich um fast 50 Prozent. Am stärksten betroffen ist demnach Berlin, wo sich die Neumieten mehr als verdoppelt haben.
400.000 neue Wohnungen? Noch lange nicht erreicht
Das Ziel der Vorgängerregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde weit verfehlt. Im vergangenen Jahr waren es nur 251.900 – ein Rückgang von mehr als 14 Prozent. Ursachen: hohe Zinsen, gestiegene Baukosten und Fachkräftemangel. Auch 2025 bleibt das Ziel außer Reichweite, wenngleich es im Frühjahr erste Lichtblicke bei den Genehmigungen gab. Optimistische Schätzungen, etwa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe, gehen von 225.000 bis 230.000 neuen Wohnungen im Jahr 2025 aus.
2,5 Milliarden Euro: So hoch soll die jährliche Gesamtentlastung sein
Die jährliche finanzielle Entlastung durch den Wohnungsbau-Turbo soll laut Bauministerium für die Verwaltung (1,7 Milliarden Euro), die Bürgerinnen und Bürger (505 Millionen Euro) sowie die Wirtschaft (334 Millionen Euro) bei insgesamt mehr als 2,5 Milliarden Euro jährlich liegen.
Der Bau-Turbo soll den Wohnungsbau beschleunigen, doch er löst nicht alle Probleme. Hohe Zinsen, teure Baumaterialien und der Fachkräftemangel bleiben bestehen. Auch der Mangel an Bauland in begehrten Städten wird dadurch nicht behoben. Zudem hängt der Erfolg davon ab, ob Kommunen die neuen Möglichkeiten tatsächlich nutzen. Die Bundesregierung plant weitere Maßnahmen, darunter eine grundlegende Neuorganisation der Förderstruktur und gezielte Programme für klimagerechtes, serielles Bauen.
Stand 19.09.2025, mit dpa
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