Wenn nichts mehr geht: Streiks gehören zum Arbeitskampf
Erlaubt, aber nicht vorgeschrieben: Es gibt ein Streikrecht, aber kein Streikgesetz
Wer darf was wann? Nicht alle können jederzeit überall streiken
Eine Branche streikt, viele Unbeteiligte sind betroffen
Allein in den vergangenen Monaten folgten auf die Streiks des Flughafenpersonals, Bahnstreiks im Nah- und Fernverkehr, Apothekenstreiks, Tarifstreits im öffentlichen Dienst, Streiks in Kindertagesstätten und Krankenhäusern, in Kinos oder in den Häfen. Immer geht es um faire Arbeitsbedingungen. Doch sind erstmal die Probleme in einer Branche gelöst, tauchen sie in einer anderen wieder auf. Viele Arbeitnehmende sind betroffen – aber noch mehr Unbeteiligte wie etwa Pendler, Schüler oder Patienten.
Was ist ein Streik?
Wenn die Arbeit niedergelegt wird, weil die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gegenüber ihren Arbeitgebern Forderungen durchsetzen wollen, dann handelt es sich um einen Streik. Der Streik ist ein Mittel des Arbeitskampfes mit dem Ziel, arbeitsrechtliche Forderungen wie zum Beispiel Lohnerhöhungen oder bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Während des Streiks bleiben die Arbeitnehmer fern von ihren Arbeitsplätzen und nehmen ihre Arbeit erst wieder auf, wenn ihre Forderungen erfüllt oder eine Einigung erzielt wurde.
Der Unterschied zwischen Arbeitsniederlegung und Arbeitsverweigerung
Streik: In Deutschland dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich streiken, um ihre Interessen zu vertreten. Das Streikrecht ist zwar nicht gesetzlich geregelt, aber das Arbeitskampfrecht wird verfassungsrechtlich durch das Grundgesetz (Artikel 9 Absatz 3) – sozusagen als Mittel zum Zweck – geschützt. Es gibt jedoch bestimmte rechtliche Vorgaben, die zu beachten sind: wie beispielsweise die Wahrung der Friedenspflicht oder die Beachtung von Verfahren zur Schlichtung oder Mediation. Daneben ist ein Streik nur zulässig, wenn er verhältnismäßig ist – was mitunter zu unterschiedlichen Interpretationen führt.
Wilder Streik: Ein wilder Streik ist ein Arbeitskampf, der ohne die offizielle Zustimmung oder Organisation der Gewerkschaft stattfindet. Es handelt sich um einen Streik, bei dem Arbeitnehmer spontan und eigenmächtig ihre Arbeit niederlegen, ohne den üblichen Verfahren oder demokratischen Abstimmungen zu folgen. Wilde Streiks sind oft unvorhersehbar, unkoordiniert und können gegen geltende Arbeitsrechtsgesetze verstoßen und somit als Arbeitsverweigerung gesehen werden. Sie können aus verschiedenen Gründen entstehen, wie zum Beispiel Frustration über die Arbeitsbedingungen oder mangelndes Vertrauen in die Gewerkschaft.
Wer darf streiken? Wann und wie oft darf gestreikt werden?
Streiks bewegen sich im rechtlichen Rahmen, nicht im gesetzlichen. Denn es gibt zwar das Streikrecht, aber eben kein Streikgesetz. Alle Arbeitskampfmaßnahmen stehen grundsätzlich unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Streiks dürfen eingeleitet werden, um rechtmäßige Ziele zu erreichen. Daran beteiligen dürfen sich neben Arbeitnehmenden auch Azubis, Praktikanten und Praktikantinnen. Kein Streikender ist verpflichtet, die Vorgesetzten darüber zu informieren, dass er an einem Streik teilnimmt.
Darüber hinaus gibt es keine Begrenzung, wie oft oder wie lange gestreikt werden darf. Jedoch darf das Gemeinwohl unbeteiligter Dritter nicht offensichtlich verletzt werden. Somit ist das Streikrecht quasi begrenzt – doch es ist hier zuallererst Sache der Tarifparteien, die Grenzen zu ziehen und abzusehen, wie hoch das Maß an Belastungen für Unbeteiligte ist. Dazu gibt es eine große Vielfalt von Positionen und mindestens ebenso viele Differenzierungen.
Was können Arbeitgeber tun?
Der Arbeitgeber kann zum Beispiel Verhandlungen führen, um eine Einigung mit den Arbeitnehmern zu erzielen und den Streik beizulegen. Er kann aber auch rechtliche Schritte einleiten, wenn er der Meinung ist, dass der Streik unrechtmäßig ist oder gegen vereinbarte Verfahren verstößt. Überdies kann er die Öffentlichkeit über seine Standpunkte informieren, um Unterstützung zu gewinnen oder den Druck auf die streikenden Arbeitnehmer zu erhöhen.
Nicht zuletzt kann er – je nach Branche – Ersatzarbeitskräfte einstellen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten oder die Produktion vorübergehend umzulagern. Dabei ist zu beachten, dass Leiharbeiter oder Zeitarbeitskräfte nicht einfach als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen.
Was können Streiks bewirken?
Streiks können nicht nur Arbeitsbedingungen verbessern – und ganz nebenbei auch die Gewerkschaften stärken. Streiks wirken sich auch auf die Beziehungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden aus: Sie können dazu führen, dass die jeweils anderen Standpunkte überdacht, die Machtverhältnisse neu bewertet und die Kommunikation sowie die Kooperation zwischen den Parteien verbessert werden. Sie können auch das Bewusstsein für Arbeitsrechte und soziale Gerechtigkeit stärken. Das Verständnis dieser langfristigen Auswirkungen kann dazu beitragen, die Entwicklung und Dynamik von Arbeitsbeziehungen gegenseitig besser zu verstehen.
Kleines Streik-ABC
Sind sich Arbeitgebende und Arbeitnehmende uneinig, wenn es um die Arbeitsbedingungen, Löhne oder andere Veränderungen geht – dann kommt es oft zum Arbeitskampf. Ziel des Arbeitskampfes ist es, eine Einigung zu erzielen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Die häufigste Form des Arbeitskampfes ist der Streik. Aber es gibt auch die Möglichkeiten von Protestaktionen, Demonstrationen oder etwa Boykotts.
Die Friedenspflicht bezeichnet eine vereinbarte festgelegte Zeitspanne, während derer keine Streiks stattfinden dürfen. In dieser Periode müssen alle Konflikte zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ausschließlich auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Die Friedenspflicht soll den Beteiligten Zeit geben, Gespräche fortzuführen, um im besten Fall zu einer Einigung zu gelangen.
Die Gewerkschaft spielt eine zentrale Rolle bei einem Streik, da sie die Forderungen der Arbeitnehmenden vertritt und den Streik organisiert. Sie entscheidet gemeinsam mit den Mitgliedern über den Zeitpunkt und die Art des Streiks. Die Gewerkschaft unterstützt die Streikenden finanziell, rechtlich und logistisch und hilft dabei, die Solidarität unter den Streikenden aufrechtzuerhalten. Sie tritt in Verhandlungen mit den Arbeitgebenden, um schließlich eine Einigung zu erzielen und den Streik zu beenden. Bekannte Gewerkschaften sind beispielsweise die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) für den öffentlichen Dienst oder die Deutsche Post, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) oder die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Wenn gestreikt wird, wird also nicht gearbeitet. Das heißt, das Arbeitsverhältnis ruht – und das bedeutet wiederum: Arbeitgebende müssen ihren streikenden Mitarbeitern für die Dauer des Streiks keinen Lohn zahlen. Arbeitnehmende erhalten für jene Zeit von der Gewerkschaft Streikgeld – jedoch nur, wenn sie Gewerkschaftsmitglieder sind. Sind sie nicht organisiert, kann es sein, dass sie leer ausgehen, denn einen Anspruch – etwa auch auf Arbeitslosengeld – haben Streikende nicht.
Kommen Arbeitgebende und Arbeitnehmende bei den Verhandlungen nicht voran, wird eine neutrale dritte Partei, der Schlichter, hinzugezogen. Der Schlichter hört sich die Argumente beider Seiten an, vermittelt zwischen ihnen und versucht, eine faire Einigung oder Lösung zu finden, die für beide Parteien akzeptabel ist. Das Ziel der Schlichtung besteht darin, den Konflikt ohne einen langen Arbeitskampf oder gar Lockout (Ausschluss der Arbeitnehmenden) beizulegen.
Ein Tarifvertrag regelt die Arbeitsbedingungen, Löhne, Arbeitszeiten und andere arbeitsbezogene Themen für eine bestimmte Branche – er legt also fest, welche Grundsätze für die Arbeitnehmenden gelten, wie viel sie verdienen, wie viele Stunden sie arbeiten und welche Vorteile sie erhalten. Ein Tarifvertrag dient als rechtliche Grundlage dafür, dass die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer geschützt werden.
Eine Urabstimmung beim Streik ist ein demokratischer Entscheid unter Gewerkschaftsmitgliedern, bei der über die Zustimmung zum Streik oder zu anderen Maßnahmen des Arbeitskampfes entschieden wird. Die Mitglieder haben die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und über die Durchführung des Streiks zu bestimmen.
Am Verhandlungstisch kommen bei Streiks Vertreter der Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite zusammen, um über die Forderungen der Arbeitnehmer zu verhandeln. Ziel ist es, eine Einigung zu erzielen, bei der beide Seiten Zugeständnisse machen und zu einer fairen Lösung gelangen, um den Streik zu beenden und die Arbeit fortzusetzen.
Beim Warnstreik wird die Arbeit zeitlich begrenzt niedergelegt, um den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen. Im Gegensatz zu einem regulären Streik dient ein Warnstreik dazu, ein Signal auszusenden und den Arbeitgeber auf die Ernsthaftigkeit der Forderungen aufmerksam zu machen, bevor ein möglicher Vollstreik stattfindet. Warnstreiks werden oft kurzfristig angekündigt, was naturgemäß zu erheblichen Problemen bei den Menschen führt: Dienstleistungen werden unterbrochen, geplante Aktivitäten müssen verschoben werden und Termine können ausfallen. In der Regel dauern Warnstreiks nur einige Stunden, selten mehrere Tage.
Es gibt in der Bevölkerung keine einheitliche Zustimmungsrate für Streiks, da die Forderungen der Streikenden und die Einstellungen der Menschen unterschiedlich sind. Generell sehen einige Menschen den Streik als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Arbeitsrechten und Gerechtigkeit. Andere Menschen empfinden Streiks nicht nur als Belastung für sich selbst, sondern auch als Belastung für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt oder die öffentlichen Dienstleistungen. Mitunter verändert sich auch die öffentliche Meinung während eines Streiks. Nicht selten hängt dies unmittelbar damit zusammen, wie sehr sich der jeweilige Streik auf das tägliche Leben der Menschen auswirkt. Am Ende ist die öffentliche Zustimmung oder Ablehnung eines Streiks aber nicht das entscheidende Kriterium für die Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit eines Streiks.
Stand: 03.07.2023