Ein Jungs mit einem Fußballtrikot an und einem Fußball in der Hand steht vor Fernsehern in einem Laden.

EM und Wirtschaft: Zurück an die Spitze?

Trikots, Touristen, TV-Geräte
Die Fußball-Europameisterschaft bringt sportliche Highlights – und wirtschaftliche Impulse. Welche Branchen profitieren und welche nicht? Überraschende Zahlen zum vielleicht goldenen Fußball-Sommer.
Das Wichtigste in Kürze:

Vom Abstiegskandidaten zum Titelfavorit

„Seien wir doch mal ehrlich: Wir liegen am Boden.“ So donnerte Matthias Sammer im Herbst 2023 – über den deutschen Fußball. Aus Sicht vieler Menschen hätte der Fußball-Flüsterer das aber auch genauso gut über die deutsche Wirtschaft sagen können. Die Stimmung im Keller, zahlreiche Streiks, hohe Inflation, die Konjunktur kraftlos vom Platz getragen.

Doch dann: „Deutschland wird Europameister!“ Ebenfalls Matthias Sammer. So schnell kann sich das Spiel drehen, befand der ehemalige Profifußballer, Europas Fußballer des Jahres 1996, Trainer und Funktionär Anfang Juni 2024. Auch in der Wirtschaft sieht die Lage schon wieder einen Tick freundlicher aus. Zinsen gesenkt, Inflation niedriger, das Konsumklima raus aus dem Abstiegskampf. Und die Fußball-Europameisterschaft startet erst noch. Doch funktioniert der Doppelpass mit der Wirtschaft überhaupt? Und wenn ja, wie und wo? Ein Blick auf Zahlen, Fakten und Einschätzungen.

Ausländer rein

Zweifellos wird auch diese EM ein Touristenmagnet. Das Sportereignis lockt nicht nur Menschen aus den europäischen Teilnehmerländern. Zunehmend würden auch Menschen aus Asien kommen, um das Event zu erleben, wie Dr. Reinhold Rickes, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) betont. Die DekaBank, das Wertpapierhaus der Sparkassen, schrieb in ihrem Fondsmagazin  von 1 Million Touristen pro Spieltag, die erwartet würden.

Der größere Reisebetrieb nutzt vor allem den Fluggesellschaften, den Bahn- und Mietwagenunternehmen sowie auch den Taxis.

„Der positive Effekt ist aber beschränkt auf die Spielorte“, sagt Rickes. Seiner Einschätzung nach würden Fußball-Touristen kaum in Orte und Gegenden weiterreisen, die kein Austragungsort sind. Dafür haben die austragenden Städte Kosten für Sicherheit, Mobilität und Kulturveranstaltungen. Zugleich kommt in der Zeit die eine oder der andere Reisende weniger, der mit Fußball nichts am Hut hat und der die nachfragebedingt erhöhten Hotelpreise meidet.

„Für einzelne Regionen und Branchen haben solche Ereignisse durchaus direkte und messbare Wirkung“, sagt auch Jan-Ludwig Losen, Fondsmanager bei der Deka und Konsumindustrie-Experte. Der gesamtwirtschaftliche Effekt sei aber eher temporär und begrenzt.

Doch Tourismus ist ohnehin eine der Wachstumsbranchen schlechthin in Deutschland. Waren in den 90er Jahren noch etwa 17 Millionen Menschen aus dem Ausland in hiesigen Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben untergekommen, stieg die Zahl bis 2019 auf 39,5 Millionen, wie das Statistische Bundesamt  ermittelt hat. Wegen der Corona-Pandemie war die Zahl zwar zeitweise eingebrochen, hat sich zuletzt aber deutlich erholt.

Ob es dieses Jahr zu einem neuen Rekord reicht mit mehr als 40 Millionen Besucherinnen und Besuchern aus dem Ausland ist allerdings trotz EM keine ausgemachte Sache. 2006, als die WM stattfand, stieg zwar die Zahl der ausländischen Gäste. Aber die Steigerung entsprach im Wesentlichen dem Trend der Jahre davor und danach. Und da nahmen sogar 32 statt wie jetzt 24 Nationen am Turnier teil.

Schwarz-Rot-Pilsgold

Interessanterweise wird auch kaum zusätzlich Bier getrunken. 2006 lässt sich ein leichtes Plus im Konsum erkennen – in einem ansonsten sehr stark fallenden Markt. In Deutschland wird mittlerweile ein Drittel weniger Bier getrunken als noch Mitte der 90er Jahre. Und das obwohl immer mehr Touristen das Land besuchen.

Von wegen besserer Fernseher

Einige Branchen sollten klar profitieren, möchte man meinen. Dazu gehören auch die Händler von TV-Geräten. Public Viewing ist beliebt, doch wenn ein Fußball-Fan zuhause schaut, muss der Fernseher was hermachen. Der TV-Absatz sollte also steigen. Aber das lässt sich nicht beobachten. Weder für die WM 2006, die ebenfalls in Deutschland stattfand, noch für eine andere EM oder WM, zeigen die von der Online-Plattform für Statistiken und Marktdaten Statista  zusammengetragenen Daten.

Den großen Boom gab es erst in den Jahren nach der WM 2006, als die Flachbildfernseher die Wohnzimmer eroberten. Bezeichnenderweise wurden 2011 die meisten Fernseher in Deutschland verkauft – ein Jahr ohne Fußball-Großereignis. Einen kleinen Ausreißer gab es 2014. Das Jahr, als Deutschland Weltmeister wurde – und die Spiele wegen der Zeitverschiebung hierzulande meist relativ spät zu sehen waren. Möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang zwischen Fußball und TV-Geräte-Absatz. Aber auch den muss man mit der Lupe suchen.

Einen letzten Ausreißer in einem ansonsten stark fallenden Markt gab es 2020. Das aber dürfte an Corona und dem Zwang gelegen haben, möglichst viel Zeit zuhause zu verbringen. Die für das Jahr vorgesehene Europameisterschaft wurde ohnehin verschoben. Vielmehr zeigt dieses Beispiel, wie wichtig technologische Neuerungen sind, um eine Branche zu beflügeln.

Immer neue Trikots

Anders ist es bei Fußballtrikots. Die Neuerungen halten sich in Grenzen. Statt Baumwolle bestehen die Shirts aus Kunststofffasern. Aber das ist schon länger so. Die Innovationen beschränken sich im Wesentlichen aufs Design und den Preis. Und doch ist der uniforme Look wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Deswegen steigen die Verkaufszahlen zu den internationalen Fußball-Meisterschaften erheblich.

Der Effekt für die deutsche Wirtschaft bezieht sich dabei in erster Linie auf zusätzliche Verkäufe der lokalen Sportgeschäfte. Zudem steigen die Einnahmen bei Mehrwertsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, wenn etwa Adidas und Puma mehr Gewinn erzielen.

Grundsätzlich sind Fußballtrikots und Co. längst eine globale Angelegenheit. Meist produziert in Fabriken in Asien und Afrika für börsennotierte Konzerne, die Anlegern aus der ganzen Welt gehören, welche wiederum über steigende Aktienkurse und Dividenden an den Gewinnen teilhaben.

Wer Fußball guckt, hat keine Zeit fürs Theater

Ein Ereignis wie die EM geht zudem mit sogenannten Verdrängungseffekten einher. Chefvolkswirt Reinhold Rickes beschreibt es so: „Wenn wir alle Fußball gucken, konsumieren wir andere Waren und Dienstleistungen nicht.“ Sprich: Mehr Leere in den Kinos und Theatern – solange sie nicht Fußball zeigen.

Zudem könnte anders als 2006 der Fachkräftemangel, der auch in der Gastronomie groß ist, die Preise nach oben treiben. Rickes: „Wegen des Arbeitskräftemangels müssen die Unternehmen höhere Löhne zahlen.“ Die Preise an den Bierständen seien schon deutlich gestiegen. Das könnte die Konsumfreude eingrenzen, gibt Rickes zu bedenken.

In die Infrastruktur wurde für diese EM vergleichsweise wenig investiert. Die Stadien und das ganze Drumherum sind im Großen und Ganzen wie 2006. Anders macht es etwa Paris, wo diesen Sommer Olympia ausgetragen wird. Auch mit Blick auf dieses Event erhält die Stadt einen völlig neuen U-Bahnring, der das Streckennetz verdoppelt. Hohe Kosten zwar, die aber langfristig neue Impulse setzen.

Was die EM dennoch leistet

Die Organisatoren der EM 2024 setzen hingegen auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Das könnte das Image der deutschen Wirtschaft in einem der großen Wachstumsbereiche stärken. Und: ebenso wie Deutschland dank der Weltmeisterschaft 2006 international deutlich an Ansehen und Beliebtheit gewonnen hat, könnte das auch mit der EM in diesem Jahr wieder der Fall sein.

„Wir brauchen solche Veranstaltungen, um unser Land nach außen repräsentieren zu können. Das kann man nicht in Cent und Euro messen“, sagt Chefvolkswirt Rickes. „Insgesamt bin ich positiv gestimmt. Bei einem guten EM-Verlauf könnte es sogar sein, dass die Zuversicht weiter zunimmt und das Wirtschaftswachstum anspringt.“

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Stand: 11. Juni 2024

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