Diversität ist in deutschen Unternehmen mehr Schein als Sein
Diversity-Tag 2022: Für mehr Vielfalt in der Arbeitswelt
Am 31. Mai 2022 feiert der bundesweite Diversity-Tag 10-jähriges Jubiläum. Der Aktionstag und die dahinterstehende Initiative „Charta der Vielfalt“ setzen sich für vorurteils- und diskriminierungsfreie Arbeitsumfelder ein. Gefördert werden sollen die Einbeziehung von Diversität, Wertschätzung und Anerkennung im Berufsalltag. Aber was bedeutet Diversität genau, warum ist sie so wichtig und wann gilt eine Firma als divers?

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist die größte kreditwirtschaftliche Gruppe Europas mit über 300.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu gehören die Sparkassen und ihre Regionalverbände, Landesbanken und zahlreiche Verbundpartner, die sich die Aufgaben teilen, die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Menschen in allen Teilen Deutschlands sicherzustellen.
Diversität geht uns alle an
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) besteht nach wie vor, in Chefetagen dominiert wenig Vielfalt – der typische Vorstand eines Dax-Konzerns ist überwiegend männlich und weiß – viele Beschäftigte haben berufliche Nachteile durch Elternschaft, bei der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist viel Luft nach oben und Benachteiligungen im Berufsalltag aufgrund ethnischer oder sozialer Herkunft sind weit verbreitet: In vielen Bereichen des Arbeitsumfelds finden sich Vorurteile und strukturelle Diskriminierungen, mangelt es nach wie vor an der Anerkennung und Wertschätzung von Diversität.
Daher ist es umso wichtiger, auf diese Aspekte aufmerksam zu machen – nicht nur an einem Tag im Jahr, sondern immer.
Diverse Studien zeigen inzwischen, dass vielfältige Teams vom Aufeinandertreffen verschiedener Lebenswelten profitieren: sie sind zufriedener, innovativer, treffen kreativere Entscheidungen und steigern die Toleranz der einzelnen Teammitglieder.
Diversity bedeutet unter anderem soziale Vielfalt. Welche Faktoren, die sogenannten „Dimensionen von Vielfalt“, unterschieden werden, sehen Sie im Video.
Neben den im Video gezeigten Kern-Dimensionen von Vielfalt gibt es weitere Aspekte wie Familienstand, Elternschaft, Ausbildung, Einkommen, Berufserfahrung, Wohnort, Gewohnheiten und einige mehr die berücksichtigt werden müssen. Die Charta der Vielfalt betont zudem, dass alle Dimensionen von Vielfalt gleichwertig sind.
Die Charta der Vielfalt – Selbstverpflichtung für Unternehmen
Der Charta der Vielfalt e. V. ist eine Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen – Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seit 2013 richtet der Verein jährlich den Diversity-Tag mit zahlreichen Aktionen aus und macht somit darauf aufmerksam, wie bunt und vielfältig die Gesellschaft und die Arbeitswelt sind.
Unternehmen verpflichten sich durch die Unterzeichnung, die wachsende Vielfalt der Gesellschaft anzuerkennen, ihre Personalprozesse dementsprechend zu überprüfen und die Vielfalt für ihr Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Das heißt, es sollen zum einen bestehende Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen abgebaut sowie Chancengleichheit hergestellt werden. Zum anderen geht es beim Auflösen veralteter Personalstrukturen und Ansprechen neuer Zielgruppen auch um strategische und wirtschaftliche Aspekte. 3800 Organisationen haben bisher unterzeichnet – Tendenz steigend.
Um als vielfältig zu gelten, müssen Unternehmen erst einmal verstehen, was Vielfalt beziehungsweise Diversität bedeutet und wie man damit umgeht. Eine Charta zu unterzeichnen, reicht allein nicht aus, genauso wenig wie eine inklusive Personalpolitik. Vielfalt muss ganzheitlich gelebt werden, nicht nur an der Oberfläche. Viele Organisationen haben das inzwischen erkannt und dafür eigene Diversity-Managerinnen oder -Manager eingestellt, um mithilfe von individuell auf die Firma abgestimmten Diversity-Strategien Vielfalt einzuführen oder zu stärken.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet Unternehmen Instrumente an, ihre Gleichbehandlungsstandards zu überprüfen. Außerdem unterstützt Sie unter anderem Beschäftigte im Fall einer Diskriminierung oder sexuellen Belästigung.
Studie zeigt Diversitätsstillstand bei Unternehmen
In Sachen Diversity bei deutschen Unternehmen herrschen weitestgehend Stillstand, Versäumnisse und Ignoranz, so die Ergebnisse des „German Diversity Monitor 2021“. Im Gegenzug werden Chancengerechtigkeit, Diversität und Inklusion immer intensiver eingefordert, denn das Thema Diversity sei pandemiebedingt deutlich stärker in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt. Zu erkennen seien zudem deutliche Unterschiede zwischen den Diversitätsdimensionen:
- Geschlecht und geschlechtliche Identität: Trotz gesetzlicher Mindestanforderung bleiben DAX-Vorstände nach wie vor männlich.
- Sexuelle Orientierung: Die Regenbogenfahnen werden zwar vielerorts fleißig geschwenkt, die tatsächliche Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung – vor allem der Zielgruppe der LGBTQI+-Community – bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen zurück.
- Menschen mit Einschränkungen: Menschen mit Behinderung stehen kaum bis gar nicht im Fokus des Diversitätsengagements deutscher Unternehmen und bilden das traurige Schlusslicht bei der Diversity-Relevanz im Jahr 2021.
Interview mit der Gleichstellungsbeauftragten

Frau Rieck, das Thema Gleichstellung ist noch nicht in allen Köpfen gleichermaßen verankert. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in Ihrer Rolle als Gleichstellungsbeauftragte beim Rheinischen Sparkassen- und Giroverband (RSGV)?
Das Thema Gleichstellung findet unterschiedliche Beachtung und stößt nicht immer auf große Euphorie. Dennoch habe ich den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren einiges zugunsten der Gleichstellung verändert hat. Weil es gesetzgeberische Impulse, aber auch gesellschaftliche Entwicklungen gegeben hat. Ein Belächeln des Themas nehme ich nicht mehr wahr. Eine Selbstverständlichkeit ist es aber auch noch nicht geworden und das ist eine der Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Ich bin der Meinung, dass sich nicht nur Frauen für das Thema einsetzen sollten. Erst dann, wenn sich deutlich mehr Männer öffentlich und überzeugend für Gleichstellung und Gleichberechtigung einsetzen, werden wir einen weiteren Entwicklungsschub beobachten können. Denn diese Themen betreffen alle Geschlechter und müssen somit von allen gelebt werden.
Wo ist der RSGV in den Bereichen Diversität und Chancengleichheit schon gut unterwegs und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Besser geht natürlich immer, aber über unsere Frauenförderpläne und unseren aktuellen Gleichstellungsplan ist der RSGV in punkto Chancengleichheit gut aufgestellt. Das Thema Diversität hingegen ist noch nicht lange auf unserer Agenda; zurzeit befinden wir uns diesbe-züglich in einer Analysephase.
Frauen beruflich zu fördern, ist eine ihrer Aufgaben. Welche Fördermöglichkeiten können Sie anbieten? Welche Anreize gibt es zum Beispiel für Mütter, in Vollzeit zu bleiben?
Der RSGV hat eine flache Hierarchie und eine sehr geringe Fluktuation. Daraus folgt, dass es ausgesprochen wenige Karrierepositionen im Sinne von Leitungsfunktionen gibt, auf die sich Kolleginnen bewerben könnten. Stattdessen haben wir in unserem aktuellen Gleichstellungsplan das Thema der Sichtbarkeit priorisiert. Auch wenn es zum Beispiel keine freie Führungsposition gibt, leiten einige Kolleginnen eigenverantwortlich Projekte. Durch diese Rolle erhalten sie eine andere Sichtbarkeit, sammeln wichtige Erfahrungen und vernetzen sich untereinander ganz anders. In einer Welt des agilen Arbeitens mit wegfallenden Hierarchieebenen ist in dem Zusammenhang nicht zu unterschätzen, welche emanzipatorische Dynamik daraus entstehen kann.
Darüber hinaus wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf / Karriere im RSGV besonders gelebt. Grundsätzlich wird immer versucht, den Müttern die Arbeitszeit zu ermöglichen, die sie sich wünschen. In Vollzeit oder auch vollzeitnah zu arbeiten, wird zunehmend durch mobiles Arbeiten möglich.
Denken schlägt sich auch in der Sprache nieder. Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die sogenannte gendersensible Kommunikation?
Ich halte sie für extrem wichtig. Unsere Sprache ist ein Abbild unseres Denkens und unserer Wahrnehmungen. Sprache beeinflusst die Gesellschaft, gesellschaftliche Entwicklungen schlagen sich wiederum in der Sprache nieder. Frauen sollten nicht mitgemeint, sondern explizit genannt werden, genau wie diverse Menschen. Wo das nicht geht, sollte geschlechtsneutral formuliert werden. Wenn Gleichberechtigung in der Sprache stattfindet, dann kann sie auch in anderen Bereichen des Lebens funktionieren.
Hand aufs Herz, was denken Sie, in welchem Jahr könnten Sie als Gleichstellungsbeauftragte ruhigen Gewissens ihr Büro räumen?
Na ja, das hängt von der Definition eines ruhigen Gewissens ab. Nein, Scherz beiseite. Ich weiß es nicht. Wie ich anfangs sagte, hat sich schon einiges getan. Aber wenn ich mir allein die faktische Zahl der Frauen in Führung anschaue, müssen noch viele Jahre veranschlagt werden.
(Stand 31.05.2022)
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