Die deutsche Wirtschaft ist zwei Quartale hintereinander leicht geschrumpft. Damit steckt sie in einer „technischen Rezession“.
Wirtschaftsexpertinnen und -experten sind sich uneinig über den weiteren Verlauf.
Die Beschäftigung befindet sich weiterhin auf einem hohen Niveau.
Viele Menschen fragen sich, wie ernst die Lage der deutschen Wirtschaft zurzeit tatsächlich ist. Darüber gehen die Meinungen von Ökonominnen und Ökonomen auseinander, nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nunmehr zwei Quartale in Folge geschrumpft ist.
Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von Ende Mai 2023 hat die deutsche Wirtschaftsleistung nicht nur im vierten Quartal 2022 um minus 0,5 Prozent nachgelassen. Sondern sie ist auch im ersten Quartal 2023 zurückgegangen – wenn auch nur um minus 0,3 Prozent. Die Bundesrepublik befindet sich damit in einer technischen Rezession.
Es gibt vier Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung: Expansion, Hochkonjunktur, Rezession und Depression. Man spricht von einer Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern sich in einem Abschwung befindet.
Stagniert die Summe aller Produkte und Dienstleistungen, die ein Land erwirtschaftet zwei Quartale hintereinander, so droht eine Rezession. Schrumpft die Wirtschaftsleistung, dann befindet sich die Gesellschaft mitten in einer Rezession. Maßstab ist dabei das Bruttoinlandsprodukt. Zum Vergleich dienen immer die jeweiligen Quartalszahlen des Vorjahrs.
Als maßgeblich verantwortlich für die technische Rezession gilt die hohe Inflation, die in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat auch im April noch bei 7,2 Prozent lag. Zugleich spielt der rückläufige Konsum eine wichtige Rolle: Die Ausgaben der privaten Haushalte sind Destatis zufolge in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres um 1,2 Prozent zurückgegangen, da die hohe Teuerung an der Kaufkraft der Menschen zehrt. Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die Menschen in Deutschland demnach weniger aus als im Vorquartal.
Eine Rezession ist ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, kurz: die Wirtschaft schrumpft. Inflation bedeutet höhere Verbraucherpreise, vieles wird also teurer. Besonders kritisch ist die Stagflation (Stagnation und Inflation), eine Mischung aus fehlendem Wirtschaftswachstum und erhöhten Inflationsraten. Letzteres erschwert es dann beispielsweise den Zentralbanken, durch eine lockere Geldpolitik die Wirtschaft wieder anzukurbeln, weil sie Wert auf moderate Entwicklungen bei den Verbraucherpreisen legen.
Der Direktor des Walter-Ecken-Instituts, Lars Feld, der auch Finanzminister Christian Lindner berät, betont, dass es bei dieser kleinen BIP-Delle bleiben werde. Feld erwartet, dass die Konjunktur sich im Frühjahr belebt und im kommenden Jahr anzieht – wenn auch ohne großen Schwung.
Andere Wirtschaftsexpertinnen und -experten gehen aber davon aus, dass das deutsche BIP auch im Gesamtjahr 2023 um 0,3 Prozent schrumpfen wird. Für das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr erwarten sie einen Rückgang der bislang angenommen 1,0 auf nur noch 0,5 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum nahe der Nulllinie bewegen dürfte.
Die aktuelle BIP-Delle hat aber nach derzeitigem Stand keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt – so die Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Im Zuge der anhaltenden Frühjahrsbelebung seien die Arbeitslosenzahlen im April 2023 gegenüber dem Vormonat auf 2.586.000 gesunken. Der Rückgang sei mit 8.000 aber eher schwach ausgefallen.
Verglichen mit dem April des vorigen Jahres ist die Arbeitslosenzahl der BA zufolge um 276.000 höher. Die Arbeitslosenquote liege im April 2023 wie im März bei 5,7 Prozent und habe sich damit gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,7 Prozentpunkte erhöht.
Üblicherweise expandiert die Gesamtwirtschaft. Die Aufträge wachsen, die Einnahmen auch – das ist der wirtschaftliche Aufschwung. Das mögen die Menschen, das stärkt die Gesellschaft. Doch die volkswirtschaftliche Entwicklung eines Landes geht nicht nur aufwärts, sondern von Zeit zu Zeit auch abwärts. So befand sich Deutschland zuletzt in den Jahren 1993, 2008 und 2009 sowie während der Coronakrise 2020 im Abschwung. In dieser Phase wachsen leider nicht mehr die Umsätze, sondern die wirtschaftlichen Probleme und Herausforderungen.Manche sagen: „Es gibt kein Wachstum ohne Regen.“ Soll heißen: Es kann nicht immer nur aufwärtsgehen. Und tatsächlich: Ein Abschwung ist nicht ungewöhnlich oder automatisch gefährlich, sondern gehört zum Wesen einer Entwicklung. Die Konjunktur, also der Zustand der Volkswirtschaft, wird ohnehin in vier unterschiedliche Phasen eingeteilt.
Für eine Rezession kann es völlig unterschiedliche Ursachen geben: Naturkatastrophen, Handelseinschränkungen, pandemische Situationen oder militärische Konflikte können beispielsweise eine Rezession auslösen. Auch Privatleute, die weniger konsumieren, oder Unternehmen, die nur noch zurückhaltend oder gar nicht mehr investieren, hemmen das Wirtschaftswachstum.
Fehlende Kauflust, sinkende Produktionen, gebremste Investitionen und fallende Gewinne können also dazu führen, dass die Lagerbestände wachsen, die Arbeitslosenzahlen und die Kurzarbeit steigen, während zugleich die Preise und Zinsen sinken, die Aktien- und Börsenkurse fallen. Wenn weniger nachgefragt, weniger gekauft, weniger produziert, weniger investiert wird – führt das nicht nur zum Stillstand oder Stau, sondern zum Rückgang. Die Folge sind negative Zukunftsprognosen.
Machen die Unternehmen nicht mehr so gute Geschäfte und nimmt die Nachfrage der Konsumenten ab, dann wird das Bruttoinlandsprodukt deutlich geschwächt. Schrumpft die Volkswirtschaft mehr als sechs Monate hintereinander – ist das ein Zeichen für eine Rezession.
Eine Rezession, also ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, kann sich mild oder sehr stark auswirken. Entsprechend deutlich können die Unterschiede sein. In manchen Fällen ist eine Rezession für die meisten Menschen kaum spürbar – in anderen Fällen steigt die Arbeitslosigkeit deutlich an, Firmen reagieren mit (Änderungs-)Kündigungen, müssen Kurzarbeit oder Insolvenz anmelden. Für Privatpersonen kann eine Rezession mit persönlichen Einschränkungen einhergehen – denn es können Lohn- oder andere Einnahmen wegfallen, zugleich bleiben die Kosten für Miete, Verträge und andere Verpflichtungen weiterhin bestehen. Sie müssen also in solchen Zeiten besonders auf ihre Ausgaben achten.
Generell steht Deutschland wirtschaftlich gut da und könnte im Krisenfall ein umfangreiches Konjunkturpaket schnüren, um die wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln. Folgenden Maßnahmen bieten sich dafür an:
Fiskalpolitik: Die Regierung kann mit höheren öffentlichen Ausgaben die Nachfrage ankurbeln. Dies kann beispielsweise Investitionen in Infrastrukturprojekte, Bildungseinrichtungen oder erneuerbare Energien umfassen. Diese Maßnahmen unterstützt neben dem Wirtschaftswachstum auch die Beschäftigung.
Steuerpolitik: Eine zeitweise Senkung der Steuern kann die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen und ihren Konsum ankurbeln. Dies kann zum Beispiel durch die Senkung der Einkommen- oder Mehrwertsteuer erfolgen.
Unterstützung von Unternehmen: Die Regierung kann spezifische Maßnahmen ergreifen, um Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise Kredite zu günstigen Konditionen, Steuererleichterungen oder direkte Subventionen. Mit diesen Maßnahmen können Unternehmen ihre Zahlungsfähigkeit verbessern, Investitionen tätigen und Arbeitsplätze erhalten.
Arbeitsmarktmaßnahmen: Um einer möglichen Ausweitung der Arbeitslosigkeit vorzubeugen, kann die Regierung gezielte Programme zur Förderung von Weiterbildung und Umschulung sowie zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen einführen. Sie kann auch Kurzarbeitergeld oder andere finanzielle Unterstützung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betracht ziehen, um Entlassungen zu vermeiden.
Förderung von Innovation und Forschung: Durch gezielte Investitionen in technologische Entwicklung und Forschung kann die Regierung beispielsweise Anreize für Unternehmen schaffen, in Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu investieren. Dazu gehören Steuervergünstigungen ebenso wie Förderprogramme. Zudem können öffentliche Mittel in innovative Branchen und Start-ups fließen, um die Entwicklung neuer Technologien und Produkte voranzutreiben.
Stand: 31.05.2023