Im Juli 2024 gab es nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) etwa 146.000 freie Ausbildungsplätze.
Demgegenüber standen rund 200.000 Bewerberinnen und Bewerber, die noch keine Stelle gefunden hatten.
Firmen leiden unter dem Fachkräftemangel und machen unterschiedliche Ursachen und Lösungen aus.
Negativrekord 2024: Manche Unternehmen bekommen keine einzige Bewerbung
Der Mangel an Auszubildenden in Betrieben hat einen neuen Negativrekord erreicht: Im Juli 2024 berichtete die Bundesagentur für Arbeit von mehr als 146.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen. Gleichzeitig waren aber etwa 200.000 junge Menschen auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz. Schon 2023 konnten 49 Prozent der Ausbildungsbetriebe der Industrie- und Handelskammern (IHK) ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen (47 Prozent waren es 2022).
Besonders alarmierend ist die Situation vor allem für kleine Unternehmen: Mehr als ein Drittel dieser Betriebe – das sind etwa 30.000 Ausbildungsbetriebe – erhielt keine einzige Bewerbung. Am stärksten trifft der Azubi-Mangel Branchen wie Industrie, Gastronomie, Handel, Verkehr, Bau, Verkauf und Logistik. In den Bereichen Kältetechnik, Hotelservice und Zimmerei blieb etwa jede sechste Ausbildungsstelle unbesetzt, obwohl diese Berufe zu den 10 beliebtesten Ausbildungsrichtungen zählen.
Welche Berufe sind noch offen?
Für das Ausbildungsjahr 2024 gibt es noch viele offene Ausbildungsplätze in verschiedenen Bereichen. Hier sind einige der Berufe, die noch verfügbar sind:
- Handelsberufe: Dazu gehören Berufe wie beispielsweise Kaufmann oder -frau im Einzelhandel oder Verkäufer.
- Handwerksberufe: Hier sind im Maurer-, Gerüst- oder Betonbaubereich Fachkräfte stark gefragt. Aber auch Zimmerleute, Dachdeckerinnen oder Elektriker werden gesucht.
- Umwelttechnologie: Egal, ob für Wasserversorgung, Abwasserbewirtschaftung, die Kreislauf- und Abfallwirtschaft oder für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen: Diese Berufe bieten sehr gute Zukunftsaussichten.
- Anlagenmechanik für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik: Aufgrund der steigenden Nachfrage nach energieeffizienten Systemen hat dieser Beruf gute Perspektiven.
- Berufe in der Lebensmittelbranche: Auch in der Gastronomie und Lebensmittelverarbeitung (etwa Bäcker oder Fleischer) werden noch Auszubildende gesucht.
- Berufe in Büro und Verwaltung: Diese Berufe bieten vielfältige Möglichkeiten in verschiedenen Branchen.
- Softwareentwicklung: Hier liegt der Anteil der unbesetzten Lehrstellen bei rund 8 Prozent.
- Fachinformatik: Diese Ausbildung für Technikbegeisterte gilt als besonders zukunftssicher.
- Mechatronik: Hier werden – nicht nur in der Kraftfahrzeugmechatronik – mit einer breiten Palette an Aufgaben die Bereiche Elektrotechnik, Mechanik und Informatik kombiniert.
- Elektronik für Betriebstechnik: Fachleute in diesem Bereich sind gefragt, um elektrische Anlagen zu installieren und zu warten.
In vielen Branchen mit Fachkräftemangel, ist es möglich, auch nach dem offiziellen Beginn der Ausbildung (1. August oder 1. September 2024) noch einzusteigen. Voraussetzung: Der Ausbildungsbetrieb stimmt zu. Es lohnt sich also noch immer, regelmäßig nach neuen Stellenangeboten zu suchen, da täglich neue Ausbildungsplätze hinzukommen.
Das ist die Situation – und sie ist nicht optimal
Nicht nur Kellner, Programmiererinnen und Lehrer fehlen vielerorts, auch die Polizei „fahndet“, um Nachwuchs zu gewinnen. Etliche Lehrstellen bleiben unbesetzt. Ein Grund für die Schieflage mit den Lehrstellen ist der demografische Wandel: Es kommen nicht genug jüngere Arbeitnehmer nach, wenn ältere das Berufsleben verlassen.
Das Hauptproblem aber ist, dass die Wünsche der Betriebe und die Qualifikationen der jungen Bewerberinnen und Bewerber oft nicht übereinstimmen. Viele Betriebe beklagen den Mangel an geeigneten Bewerbungen. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht Defizite in der schulischen Berufsorientierung und fordert, dass Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) im Unterricht stärker berücksichtigt werden. Zudem brauchen Azubis, so die DIHK, grundlegende Deutschkenntnisse, Lernbereitschaft und Umgangsformen – doch es fehlt zunehmend an dieser soliden Basis.
Es gibt sie noch: begehrte Ausbildungsplätze
In einigen Bundesländern ist das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nahezu ausgeglichen, während in anderen Regionen deutlich mehr Bewerber als Ausbildungsplätze vorhanden sind.
Schleswig-Holstein
Saarland
Sachsen-Anhalt
Berlin
Hessen
Nordrhein-Westfalen
Niedersachsen
Lehrberufe werden unterschätzt: falsches Image
Das Handwerk kreidet der Politik eine zu geringe Wertschätzung für die berufliche Ausbildung an – schon heute fehlen insgesamt 250.000 Handwerkerinnen und Handwerker. Akademische und berufliche Ausbildung müssten endlich als gleichwertig anerkannt werden, so der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Martin Wansleben. Junge Menschen sollten schon in der Schule einen besseren Überblick über die unterschiedlichen Ausbildungen und deren Chancen bekommen. Auch an Gymnasien sollte die Berufsausbildung zu einem festen Teil der Berufsorientierung gemacht werden.
Gute Perspektive: Erst Abitur, dann Lehre
Immerhin, eine kleine Wende gibt es seit längerem – und hier wächst die Zahl beständig: Immer mehr Abiturienten und Abiturientinnen beginnen eine Lehrausbildung. Ihr Anteil stieg, laut Bertelsmann-Studie, von 35 Prozent (im Jahr 2011) auf 47,4 Prozent (im Jahr 2021). Diese Berufsschülerinnen und -schüler haben dann nach dem Abschluss etwa in den Branchen Medien, Marketing oder IT sehr gute Aussichten, einen Job zu finden.
Viel Auswahl, wenig Orientierung: Jugendliche auf Berufssuche
Welche Talente habe ich? Welche Karrierechancen gibt es? Was passt zu mir? Nach einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung gab nur jeder vierte Jugendliche an, sich bei der Berufswahl zurechtzufinden. Hinzu kommen bei vielen
- die mangelnde Selbstkenntnis und unklare Vorstellungen, was sie wirklich erwartet,
- die Unsicherheit über Zukunftsaussichten und
- die Angst vor Fehlentscheidungen.
Dabei gibt es sie noch, die Traumberufe, zum Beispiel im Handwerk: Berufe wie Fliesenleger, Dachdeckerin oder Heizungsbauer werden laut Institut der Deutschen Wirtschaft allmählich immer beliebter. Sie gelten als sinnstiftend, sicher und gut bezahlt. Und: All diese Berufe sind tatsächlich auch relevant für das neue Energiebewusstsein. Doch das Hauptproblem Fachkräftemangel bleibt.
Wovon lassen sich Schulabgängerinnen und -abgänger am meisten motivieren?
Eltern bleiben eine wichtige Unterstützung. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Berufsberatung ihres Nachwuchses. 73 Prozent der befragten Schulabgänger und -abgängerinnen sagten, dass ihnen der Rat und die Unterstützung der Eltern bei der Berufswahl wichtig sind.
Aber auch die Berufsbezeichnung kann die Attraktivität eines Berufs stark beeinflussen. Wobei Jugendliche oft Berufe bevorzugen, die ihnen ansprechend erscheinen. Unbekannte Berufe schließen sie oft aus, selbst wenn sie gut zu ihren Fähigkeiten passen würden. Viele Schulabgänger fühlen sich von der Vielzahl an Informationen überwältigt und unsicher in ihrer Berufswahl. Oft mangelt es schlicht an klaren Vorstellungen oder praktischen Erfahrungen.
Nicht zuletzt spielen wirtschaftliche Interessen eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl: So fehlt es etwa Behörden oft an Charme; die schleppende Digitalisierung und eben auch die Besoldung wirken auf junge Erwachsene nicht sonderlich attraktiv.
Die beliebtesten Berufsportale
Die wichtigsten Informationsquellen – außer den Eltern – sind:
- das Berufsinformationszentrum der Bundesagentur für Arbeit (BIZ ), 51 Prozent
- der Berufswegeplaner planet-beruf.de , 24 Prozent
- die Online-Portale der Industrie- und Handelskammern (IHK ), 20 Prozent.
Außerdem bietet das BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) umfassende Informationen. Persönliche Beratungen gibt es über die Arbeitsagenturen und Tausende Ausbildungsplätze auf der Website ausbildung.de .
Erasmus: Auslandsaufenthalt ist kein Privileg für Studierende
Der Wunsch nach internationalen Erfahrungen ist aktuell stärker denn je: Einige Auszubildende nutzen einen Auslandsaufenthalt während ihrer Lehre. Im Jahr 2023 sind 25.300 Erasmus-Anträge für Azubis bewilligt worden. Erasmus ist das Förderprogramm der Europäischen Union (EU) für Auslandsaufenthalte. Überhaupt sind Auslandsaufenthalte sinnvoll, um die eigenen interkulturellen und fachlichen Kompetenzen auszubauen und sich persönlich zu entwickeln.
Erasmus etwa ist eine der besten Gelegenheiten, über den Tellerrand zu schauen, andere (Arbeits-)Kulturen kennenzulernen, sich inspirieren zu lassen und bleibende Erlebnisse zu haben. Bis zu einem Viertel der regulären Ausbildungszeit lassen sich laut Berufsbildungsgesetz im Ausland verbringen – wenn der Ausbildungsbetrieb diesen Wunsch unterstützt. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es nicht. Doch es gibt Möglichkeiten, zum Beispiel folgende:
Auslandsaufenthalte: die beliebtesten Angebote für Azubis
2Berufsbildung ohne Grenzen
Ob als Bäcker nach Italien, Koch nach Frankreich oder Elektroniker nach Irland – auch das Projekt Berufsbildung ohne Grenzen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vermittelt Auslandspraktika während der Ausbildung.
3AusbildungWeltweit
Für Auslandsaufenthalte in Ländern, die Erasmus+ nicht abdeckt, gibt es das Förderprogramm AusbildungWeltweit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). In einem Zeitraum von 3 Wochen bis 3 Monaten geht es zum Modefotografen nach Kapstadt (Südafrika), zum Pflegepraktikum nach Basel (Schweiz) oder als angehender Kaufmann nach Buenos Aires (Argentinien). Dafür können Ausbildungsbetriebe, Kammern, überbetriebliche Ausbildungszentren oder berufliche Schulen Zuschüsse für ihre Auszubildenden beantragen.
Wer verdient wo wieviel?
Gute Ausbildungsbedingungen, unbefristete Übernahme und gute Bezahlung – das kann für eine Ausbildung begeistern. In tarifgebundenen Betrieben liegen die Einkommen von Azubis laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Schnitt über 1.000 Euro. Besonders gut bezahlt werden Azubis in Unternehmen mit Tarifverträgen: Schon ab dem ersten Ausbildungsjahr erhalten Schiffsmechaniker (1.045 Euro), Sozialversicherungsfachangestellte (1.070 –1.240 Euro), Fluglotsen (1.150 –1.400 Euro) und Polizistinnen (1.275 –1.370 Euro). Zu den bestbezahlten Ausbildungen zählen ab dem ersten Lehrjahr die Pflegefachkräfte.
0Euro
Weniger dürfen Azubis nicht verdienen
Der Azubi-Mindestlohn (auch Mindestausbildungsvergütung genannt) ist der gesetzlich festgelegte Betrag, den Unternehmen ohne Tarifvertrag mindestens an Azubis zahlen müssen, um eine faire Bezahlung sicherzustellen. Seit dem 1. Januar 2024 wurde die Mindestausbildungsvergütung angehoben und beträgt nun:
- im ersten Lehrjahr 649 Euro pro Monat,
- im zweiten Lehrjahr 766 Euro,
- im dritten Lehrjahr 876 Euro
- und gegebenenfalls im vierten Lehrjahr 909 Euro.
Diese Mindestvergütung gilt für alle Ausbildungsverträge .
Ist der Arbeitgeber tarifgebunden, gilt die tarifvertraglich festgesetzte Höhe der Ausbildungsvergütung. Ist der Ausbildungsbetrieb nicht tarifgebunden, darf er den branchenüblichen Tarif um höchstens 20 Prozent unterschreiten – aber nicht bis unter die Mindestausbildungsvergütung.
Was ist neu im Jahr 2024?
Seit 2024 gibt es in Deutschland die Ausbildungsgarantie . Grund: Trotz der steigenden Zahl an unbesetzten Ausbildungsstellen bleibt in Deutschland weiterhin eine große Anzahl junger Menschen ohne Ausbildungsvertrag. Diesem Umstand möchte das BMBF entgegenwirken. Daher haben alle jungen Menschen das Recht auf eine Ausbildung, auch wenn sie keinen Platz in einem Betrieb finden. Wenn also jemand trotz vieler Bewerbungen keinen Ausbildungsplatz bekommt, kann er eine Ausbildung in einer anderen Form machen.
- Praktika: Junge Menschen können Praktika machen, um verschiedene Berufe kennenzulernen. Die Kosten für Fahrten und Unterkunft werden von der Arbeitsagentur übernommen.
- Zuschüsse: Wenn Auszubildende an ihrem Wohnort keinen Ausbildungsplatz bekommen und für ihre Ausbildung umziehen müssen, bekommen sie Geld für zwei Heimfahrten pro Monat im ersten Ausbildungsjahr.
- Einstiegsqualifizierungen: Die Dauer für spezielle Qualifizierungen wird kürzer, und es gibt mehr Unterstützung für Menschen mit Behinderungen.
Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass jeder die Chance auf eine Ausbildung hat.
Besondere Azubi-Programme bei den Sparkassen
Die Sparkassen, der größte Ausbilder im deutschen Kreditgewerbe, haben schon seit vielen Jahren kreative Angebote für ihre Auszubildenden im Programm. Entsprechend ihrem Auftrag als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, denen die Lebensqualität der Menschen in ihrem Geschäftsgebiet wichtig ist, engagieren sich einige Institute mit ihren Auszubildenden bei der Renaturierung von Landschaftsgebieten, der Reparatur von öffentlichen Spielplätzen oder richten Innovationslabore ein. Wieder andere Sparkassen setzen auf einen besonders hohen Praxisbezug – mit einer Azubi-Filiale: So leiteten schon die jungen Angestellten der Sparkassen Südholstein, Göttingen, Zwickau oder Frankfurt (und noch viele mehr) selbstständig eine der Geschäftsstellen. Die Sparkassen-Finanzgruppe gehört zu den beliebtesten Arbeitgebern bundesweit.
Alle wollen sich richtig entscheiden – auch die Personalabteilungen
Zwar geht es nicht hauptsächlich um die Bespaßung potenzieller Auszubildender, aber eine spielerische Herangehensweise an den neuen Job setzt sich immer mehr durch. Personalabteilungen sowie Unternehmerinnen und Unternehmer wissen: 08/15-Stellenangebote genügen nicht mehr, um den Nachwuchs zu motivieren. Deshalb holen immer mehr die Auszubildenden dort ab, wo sie sich am liebsten aufhalten: in den sozialen Netzwerken. 45 Prozent haben Instagram-Accounts, 36 Prozent sind bei LinkedIn aktiv und immerhin 11 Prozent machen via Tiktok, Youtube oder WhatsApp auf sich aufmerksam. Die Firmen wissen, dass sie ihren Auszubildenden heute mehr bieten müssen: Flache Hierarchien, moderne technische Ausstattung, finanzielle Anreize und eben auch die Möglichkeit zu Auslandsaufenthalten sind mittlerweile Standard.
Denn: Betriebe und Unternehmen möchten nicht nur, dass sich ein paar Kandidatinnen und Kandidaten für ihr Unternehmen interessieren – sondern sie möchten am Ende natürlich aus einer guten und motivierten Kandidatenschar auswählen können.
Stand: 13.08.2024