Nach dem zweiten Quartal in Folge mit einer Schrumpfung ist das R-Wort Realität: Deutschland ist in der Rezession angekommen. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von Ende Mai 2023 hat die deutsche Wirtschaftsleistung nicht nur im vierten Quartal 2022 um minus 0,5 Prozent nachgelassen. Sondern sie ist auch im ersten Quartal 2023 zurückgegangen – wenn auch nur um minus 0,3 Prozent.
Die meisten Expertinnen und Experten rechnen im laufenden Jahr nur noch mit einem Nullwachstum. So hat das Handelsblatt Research Institute (HRI) seine Konjunkturerwartungen für 2023 und 2024 Mitte Juni sogar nach unten revidiert. Es erwartet nunmehr für das laufende Jahr einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent und für 2024 ein Plus von 0,6 Prozent.
Anders als nach früheren Rezessionen ist laut HRI jedoch nicht mit einem anschließenden Aufschwung zu rechnen, durch den die Produktionsausfälle rasch aufgeholt würden. Vielmehr werde sich eine zähe Wachstumsschwäche an die Rezession anschließen. Damit ist das Wirtschaftswunder, das die Bundesrepublik durch die goldener 10er-Jahre trug, Geschichte. Ein echter Aufschwung scheint nicht in Sicht.
3 Fragen zu Geld an
Dr. Ulrich Kater
Herr Dr. Kater, wie beeinflussen die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen das Leben und das Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher?
Weniger als man glaubt. Der Konsum in Deutschland boomt zwar nicht, sondern geht in diesem Jahr leicht zurück. Angesichts der Horrormeldungen – Inflation, Krieg, Energiekrise – wäre eigentlich ein Einbruch des Verbrauchs bei den privaten Haushalten zu erwarten gewesen. Dass es nicht so gekommen ist, hat viele Gründe. Zum einen hat es in der Energiekrise viel staatliche Unterstützung gegeben. Noch wichtiger waren jedoch die Gelder, die in der Corona-Zeit ausgeschüttet worden sind. Damals fand eine Art von Zwangssparen statt, so viel Geld konnte gar nicht ausgegeben werden. Das federt die gegenwärtigen Probleme immer noch ab.
Dazu kommt, dass der Arbeitsmarkt sehr stark ist. Die Konsumenten müssen nicht um ihre Jobs fürchten und sind daher in der Breite nicht übermäßig vorsichtig beim Geldausgeben. Außerdem stehen im kommenden Jahr hohe Lohnsteigerungen an. Die Verbraucher sind vielleicht angespannt, aber die Puste geht ihnen nicht aus.
Einerseits befinden wir uns in einer Rezession – andererseits verbucht der Deutschen Aktienindex DAX ein neues Rekordhoch. Welche Herausforderungen bedeuten diese komplexen wirtschaftlichen Umstände für das Sparverhalten der Menschen und ihre langfristigen Anlageentscheidungen?
Das Sparverhalten hat sich volumenmäßig wieder normalisiert und hat sich auf Vor-Corona-Niveau eingependelt. Wichtiger ist nun, in welcher Form gespart wird. Die Zinsen bei Bankeinlagen sind zwar wieder positiv, angesichts der Inflationsraten aber viel zu niedrig, um die Kaufkraft zu erhalten. Demgegenüber sind die Rahmenbedingungen für die Kapitalmärkte vorteilhaft und stabil. Das gilt sowohl für Anleihen als auch für Aktien. Den Unternehmen ist es gelungen, die Kostensteigerungen auf die Preise abzuwälzen, so dass die Gewinne in der Gesamtjahresbetrachtung gegenüber dem Vorjahr noch leicht zulegen werden. Vor diesem Hintergrund sind die neuen Rekordhochs beim DAX und anderen Indizes vertretbar.
Welche Maßnahmen empfehlen Sie den Menschen in Bezug auf ihre finanziellen Entscheidungen und Ausgabenverhalten, um finanzielle Stabilität zu wahren oder sogar zu verbessern?
Ich empfehle bei allen Anlagemöglichkeiten immer zu vergleichen, ob die erwartete Rendite in der Lage ist, die Inflationsrate zu schlagen. Ist das nicht der Fall, dann ist die Anlageform nichts für den langfristigen Vermögenserhalt.
Stand: 21.06.2023