Was der unklare Ausgang der US-Wahl für die Wirtschaft bedeutet

Handel, Mittelstand, Investitionen: Diese Konzepte stehen auf dem Spiel

Die US-Wahl entwickelt sich zur Hängepartie. Obwohl die Ergebnisse aus entscheidenden Bundesstaaten noch nicht vorliegen, hat sich Amtsinhaber Donald Trump inzwischen schon zum Wahlsieger erklärt. Joe Biden mahnte zuvor, die Auszählung aller Stimmen abzuwarten. Doch was bedeutet dieser unklare Wahlausgang? Welcher Präsidentschaftskandidat wäre besser für die Wirtschaft – und warum? Was erwartet mittelständische Unternehmen in Deutschland? Die Antworten geben Uwe Burkert, Chefvolkswirt der LBBW und Carsten Wesselmann, Chefvolkswirt der Kreissparkasse Köln.

Das Weiße Haus in Washington, DC

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die USA haben gewählt, doch ein amtliches Endergebnis steht noch nicht fest.
  • Vor der Auszählung wichtiger Bundesstaaten liegen Amtsinhaber Donald Trump und Herausforderer Joe Biden nahezu gleich auf.
  • Somit lassen sich die Folgen der US-Wahl für die Wirtschaft nur in zwei Szenarien interpretieren – mit einem möglichen Wahlsieger Trump oder mit einem Sieger Biden.
  • Diese Unsicherheit könnte sich als zusätzliche Belastung für die Wirtschaft erweisen, da bis zum finalen Ergebnis zwei verschiedene wirtschaftliche Konzepte im Raum stehen.
  • Steht selbst nach der Auszählung der Stimmen kein Ergebnis fest, droht ein politisches Vakuum. Dieses entstünde aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung über den Wahlausgang – und würde für die Wirtschaft zusätzliche Unsicherheit bedeuten.
Im Gespräch mit
Carsten Wesselmann und Uwe Burkert
Chefvolkswirt der LBBW und Chefvolkswirt der Kreissparkasse Köln

Trump oder Biden? Noch steht das Ergebnis der US-Wahl nicht fest. Herr Wesselmann und Herr Burkert: Welche wirtschaftlichen Folgen hat dieser sich abzeichnende unklare Wahlausgang und die zu erwartende Hängepartie, die sich noch Wochen hinziehen könnte?

Carsten Wesselmann: Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld zeichnete sich aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin schon durch ein hohes Maß an Unsicherheit aus. Nun kommt durch den unklaren Wahlausgang ein zusätzlicher politischer Unsicherheitsfaktor hinzu, der sich als weitere Belastung für die Wirtschaft erweisen könnte.

Als zusätzliches Risiko sehe ich, dass die USA so etwas wie eine Verfassungskrise bekommen, allein dadurch, dass jetzt schon die Einschaltung des Supreme Court angekündigt wurde. Das wird sich in die Länge ziehen – und birgt die Gefahr eines politischen Vakuums. Und das ist jetzt genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. 

Wir bräuchten jetzt eigentlich jemand, der auch in den USA beginnt, ein zukunftsfähiges Wahlprogramm umzusetzen. Der sich mit der Corona-Pandemie beschäftigt und damit, die Wirtschaft aus einer „Old Economy“ herauszuholen und tatsächlich in Richtung „New Green Deal“ zu führen. Und das ist mit dem Ausgang der Wahl – Stand jetzt – sehr unwahrscheinlich.

Uwe Burkert: In erster Linie Unsicherheit und daraus resultierend ein schwächerer US-Dollar. Dann müsste die US-Notenbank (FED) nochmals stärker nachlegen – und damit droht ein Fehlstart ins Jahr 2021. Vor dem Hintergrund Corona ein denkbar schlechtes Vorzeichen…

Zum besseren Verständnis: Für welche wirtschaftlichen Positionen stehen die beiden Kandidaten?

Wesselmann: Die Positionen der beiden Kandidaten in der Wirtschaftspolitik könnten kaum unterschiedlicher sein. Joe Biden setzt stark auf staatliche Investitionen sowie einen Ausbau des in den USA eher rudimentären Sozialstaats und plant hierfür auch die Steuerreform von Donald Trumps teilweise zurückzudrehen.

Donald Trump dürfte seinem 2017 eingeleiteten wirtschaftspolitischen Kurs treu bleiben und private Haushalte ebenso wie Unternehmen noch stärker entlasten und gleichzeitig die Deregulierung der Wirtschaft vorantreiben. Im Ergebnis könnten beide Politikansätze zu einer deutlich höheren staatlichen Verschuldung und damit zu Gefahren für die weltweite Finanzmarktstabilität führen.

Dennoch gilt Joe Biden für viele als Hoffnungsträger einer berechenbareren und konsensorientierten US-Außenpolitik. Biden verfügt über außenpolitische Erfahrung und weiß um die elementare Bedeutung des transatlantischen Bündnisses und guter Beziehungen zu asiatisch/pazifischen Staaten auch für die USA. Aber auch Biden steht für eine Wirtschaftspolitik mit nationalen Zügen. Seine Antwort auf Trumps „America First“ lautet „Buy American“.

Burkert: Gerade auch außenwirtschaftlich ist der Wahlausgang so wichtig, weil Donald Trump neben seiner aggressiveren Handelspolitik auch viele multilaterale Abkommen gekündigt hat, die Biden wiederaufleben lassen könnte.

Von einem Mehr an Koordination könnte auch Deutschland profitieren. Binnenwirtschaftlich wird das Programm von Joe Biden die Kaufkraft stärken. Grundsätzlich haben demokratische Präsidenten nach tiefen Wirtschaftskrisen immer für ein Mehr an Wachstum gesorgt. Das könnte wieder so sein.

Schauen wir auf die beiden möglichen Szenarien: Was würde ein Wahlsieg Trumps für die Wirtschaft bedeuten – und welche Folgen hätte das für mittelständische Unternehmen in Deutschland?

Burkert: Ein Wahlsieg Trumps würde eine Verschärfung der Handelskonflikte, eine weitere Abkehr von Klimaschutzinitiativen der USA sowie eine höhere Staatsverschuldung mit sich bringen. Ebenfalls erwarte ich weitere Deregulierungsmaßnahmen der amerikanischen Regierung. Der deutsche Mittelstand wird sich angesichts einer verschärfenden Außenhandelsdiskussion immer mehr genötigt sehen, in den USA zu investieren – oder das US-Geschäft zurückzufahren. Eine stärkere Hinwendung nach China könnte die Folge sein.

Wesselmann: Alles in allem sinken unter Trump die Chancen, auf diplomatischem Weg die bestehenden Konflikte beizulegen und Interessensgegensätze anzugleichen. Die hohe Unsicherheit in Kombination mit einem weniger fairen und freien Handel hemmen die Wachstumsperspektiven nicht nur in den USA, sondern auf globaler Ebene und dämpfen damit auch die Export- und Wachstumsaussichten des deutschen Mittelstandes.

Was würde ein Wahlsieg Bidens für die Wirtschaft bedeuten – und mit welchen Folgen für den deutschen Mittelstand?

Wesselmann: Eine US-Außenpolitik unter Biden wäre berechenbarer und konsensorientierter. Ein Ende aller Handelsstreitigkeiten wäre aber auch unter dem demokratischen Präsidenten nicht zu erwarten. Bei Grundkonflikten wie Zollsätzen, Einfuhr landwirtschaftlicher Güter, Besteuerung von Unternehmen und Übernahme chinesischer Technologien würde auch Biden Europa fordern. Sein Bestreben in der internationalen Handelspolitik wieder zu multilateralen Ansätzen zurückzukehren und konsensfähige Lösungen zu suchen, dürfte jedoch die aktuell vorherrschende Unsicherheit mildern und die Zukunft für den deutschen Mittelstand in Handelsfragen wieder besser planbar machen. Dies würde die Export- und Wachstumsperspektiven aufhellen.

Burkert: Ein Wahlsieg Bidens würde die Kaufkraft in den USA stärken und damit letztendlich auch deutschen Unternehmen helfen. Allerdings sind die Demokraten jetzt keine großen Handelsbefürworter. Aber man war unter der Regierung Obama/Biden auch handelspolitisch schon einmal weiter. Hier könnte der deutsche Mittelstand neue Hoffnung schöpfen.

Was ist nun aus wirtschaftlicher Sicht in den kommenden Wochen und Monaten nach dieser Wahl zu erwarten?

Wesselmann: Wichtig ist zuallererst, dass die Corona-Pandemie unter Kontrolle gebracht wird – ohne einen flächendeckenden und branchenübergreifenden Lockdown. Einen zweiten Stillstand der Wirtschaft vergleichbar mit dem Ende des ersten, Anfang des zweiten Quartals, wäre für die deutsche Wirtschaft nur schwer zu verkraften. Die im Rahmen des aktuellen Lockdowns verabschiedeten Regeln sind zwar flexibler und gezielter als im Frühjahr, aber sie werden die deutsche Wirtschaft gehörig ausbremsen. 

Burkert: Die große Frage ist, wie belastend wirken die Anti-Corona-Maßnahmen global, in den USA und in Europa – und wie stabilisierend kann China bleiben. Diese Fragen überlagern alles, egal, wie die Wahl ausgeht.

Gelingt es uns allen, die Ausbreitung des Virus zu reduzieren, das fragile Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Aktivität und Ausbreitung zu erhalten, dann haben wir ein starkes Jahr vor uns – mit all den fiskal- und geldpolitischen Infusionen. Wenn nicht, werden wir ein sehr schwaches Wachstum in 2021 haben.


Mikro trifft Makro: Der Podcast mit Deka-Chefvolkswirt Dr. Kater


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(Stand: 4.11.2020)